Leitsatz (amtlich)

Bundeswehrauslandseinsätze sind auch einem gesteigert Unterhaltspflichtigen aufgrund der damit verbundenen Gefahren nicht zumutbar.

Auslandsverwendungszuschläge sind daher als überobligatorische Einnahmen des Unterhaltspflichtigen bei der Bedarfsermittlung nur teilweise zuzurechnen. Im Rahmen der Leistungsfähigkeit eines gesteigert Unterhaltspflichtigen sind sie jedoch zur Sicherstellung des Mindestunterhalt in vollem Umfang zu berücksichtigen.

Die Erstausbildung gehört zum eigenen Lebensbedarf des Unterhaltspflichtigen, den dieser grundsätzlich auch bei gesteigerter Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern vorrangig befriedigen darf (Anschluss an BGH MDR 2011, 728). Soweit jedoch der Pflichtige bereits über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, muss sein Interesse an einer weiteren Ausbildung, insbesondere an einem Studium, bei gesteigerter Unterhaltspflicht grundsätzlich zurücktreten.

 

Normenkette

BGB § 1603 Abs. 2, § 1610 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Diez (Aktenzeichen 12 F 39/19)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - D. vom 30.07.2019, Aktenzeichen 12 F 39/19, unter Ziffer 1. teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller beginnend mit dem 01.02.2019 bis zum 31.01.2020 monatlich im Voraus einen Kindesunterhalt in Höhe von 105% des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe und ab dem 01.02.2020 einen Kindesunterhalt in Höhe von 100% des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe, jeweils abzüglich des hälftigen Kindergeldes zu Händen der Kindesmutter zu zahlen.

Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Antragsteller zu 1/15 und der Antragsgegner zu 14/15.

Der Verfahrenswert wird auf 3.204,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der am ...1992 geborene Antragsgegner ist der Vater des am ...2015 geborenen Antragstellers und wird von diesem für die Zeit ab Januar 2017 auf Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch genommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ein privates Abstammungsgutachten der ... Labor GmbH die Vaterschaft des Antragsgegners festgestellt. Wegen des davorliegenden Unterhaltszeitraums wurde der Antragsgegner von dem Scheinvater in Regress genommen (Amtsgericht - Familiengericht - B. ...).

Der Antragsgegner war vom 01.10.2013 bis zum 30.09.2018 Zeitsoldat bei der Bundeswehr. Er verfügte damals noch nicht über eine abgeschlossene Berufsausbildung und konnte auch während seiner Tätigkeit bei der Bundeswehr keine am allgemeinen Arbeitsmarkt anerkannte berufliche Qualifikation erwerben.

Während seiner aktiven Dienstzeit nahm der Antragsgegner an zwei Auslandseinsätzen der Bundeswehr in Mali teil. Wegen der dort erlebten Belastungen entschied er sich, seine Dienstzeit bei der Bundeswehr nicht zu verlängern. Er stellt sich auf den Standpunkt, dass der ihm für die beiden Auslandseinsätze gezahlte Auslandsverwendungszuschlag (11.000,00 EUR für den Dienst vom 05.07.-12.10.2017 - Bl. 75 - und 6.490,00 EUR für den Dienst vom 28.01.-27.03.2018 - Bl. 78) unterhaltsrechtlich nicht berücksichtigungsfähig sei.

Seit dem 01.08.2018 absolviert der Antragsgegner eine Berufsausbildung zum Kfz-Mechatroniker bei der Firma P. Er erhält hier im ersten Lehrjahr eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 765,00 EUR brutto bzw. 519,22 EUR netto 2018 bzw. 524,39 EUR netto 2019. Im zweiten Ausbildungsjahr ab August 2019 erhöht sich die Ausbildungsvergütung auf brutto 821,00 EUR bzw. netto 561,62EUR.

Nach Beendigung der Dienstzeit bei der Bundeswehr wurde dem Antragsgegner eine Abfindung bzw. Übergangsbeihilfe nach § 12 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) in Höhe von 10.511,69 EUR brutto = 7.241,19 EUR netto mit der Septemberabrechnung 2018 (Bl. 80) ausgezahlt.

Seit Oktober 2018 erhält der Antragsgegner außerdem Übergangsgebührnisse nach § 11 SVG, die jedoch im Januar 2020 auslaufen, weshalb sich der Antragsgegner für die Zeit ab Februar 2020 bis zum Abschluss seiner Berufsausbildung für unterhaltsrechtlich nicht leistungsfähig hält.

Mit der Begründung, er sei während seiner Dienstzeit bei der Bundeswehr nicht rentenversichert gewesen, verlangt der Antragsgegner zudem die unterhaltsrechtliche Berücksichtigung von Zahlungen in Höhe von monatlich 256,70 EUR für eine fondsgebundene Rentenversicherung bei der N. Lebensversicherung AG. Diese Versicherung hat der Antragsgegner mittlerweile im Hinblick auf die zuerkannten Unterhaltsrückstände gekündigt. Der Rückkaufswert per 01.10.2019 beträgt dabei 7.000,85 EUR.

Das Familiengericht hat den Antragsgegner in dem angefochtenen Beschluss u.a. zur Zahlung von laufendem Kindesunterhalt in Höhe von 105% des Mindestunterhalts ab dem 01.02.2019 verpflichtet.

Dabei hat das Familiengericht die Auslandsverwendungszuschläge wie Spesen behandelt und zu 1/3 auf das Einkommen des Antragsgegners angerechnet und pauschale berufsbedingte Aufwendungen sowie die vorgetragenen Aufwendungen für die ...

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