Leitsatz (amtlich)

Beantragt ein Versicherungsnehmer bei mehreren Versicherern Leistungen aus jeweils bestehenden Unfallversicherungsverträgen und lässt er innerhalb weniger Tage in jedem der Antragsvordrucke - bei Beantwortung der übrigen Fragen - die Frage nach weiteren Unfallversicherungen unbeantwortet (hier: dreimalige Nichtbeantwortung der Frage innerhalb von ca. 3 Wochen), so ist regelmäßig von einer vorsätzlichen Verletzung der Obliegenheit zu wahrheitsgemäßen Angaben durch den Versicherungsnehmer auszugehen; die zur Leistungsfreiheit des jeweiligen Versicherers führt.

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Urteil vom 15.06.2015; Aktenzeichen 4 O 281/12)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Mainz vom 15.6.2015 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung eine Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt Invaliditätsleistungen aus einer bei der Beklagten unterhaltenen Unfallversicherung.

Zwischen den Parteien besteht seit dem Jahre 1992 ein Unfallversicherungsvertrag (Anlage A 1, Bl. 8 - 23 d.A.) mit einer Grundsumme von 204.800 EUR und einer Progression von bis zu 225 %.

Die Klägerin meldete bei der Beklagten einen Unfall vom 01./03.11.2007 und einen weiteren Unfall vom 15.11.2007. In der Unfallanzeige vom 15.06.2008 (Anlage B 2, Bl. 79 - 81 d.A.) ließ die Klägerin die Frage nach weiteren Unfallversicherungen unbeantwortet. Am selben Tag füllte die Klägerin eine Unfallanzeige für eine weitere Unfallversicherung bei der H. Versicherung aus.

Anfang des Jahres 2009 zahlte die Beklagte an die Klägerin eine Invaliditätsleistung pro Daumen von 8.192 EUR für beide Unfallereignisse (Anlagen B 4 + 5, Bl. 83 - 86 d.A.). Nach der Einholung eines Sachverständigengutachtens der E.-Klinik vom 26.08.2010 und eines weiteren des Dr. B. vom 11.04.2011 (Anlage A 7, Bl. 36 - 52 d.A.) lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 06.01.2012 (Anlage A 6, Bl. 35 d.A.) jeglichen Versicherungsschutz für beide von der Klägerin gemeldeten Unfallereignisse wegen fehlenden Nachweises eines Unfallereignisses und wegen der unterlassenen Angabe des Mitversicherers H. [im folgenden: H. Versicherung] ab.

Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe sich am 01. oder 03.11.2007 dadurch verletzt, dass sie im Rahmen von Bastelarbeiten mit einer Gartenschere versucht habe, einen Ast abzuschneiden. Bei der Schließbewegung sei es zu einem akuten Schmerzgeschehen des volaren rechten Daumenballens gekommen. Der Daumen sei daraufhin steif geworden. Es bestünden Bewegungsbeeinträchtigungen.

Am 15.11.2007 habe sie versucht, mit der linken Hand einen 30 kg schweren Stein, der im Begriff gewesen sei, herunterzufallen, aufzuhalten. Dabei sei der Stein auf die linke Daumenwurzel sowie den Daumen gefallen. Der Daumen sei geschwollen und eingesteift. Die Bewegungsbeeinträchtigung sei irreparabel.

Es sei deshalb von einer 50%igen Invalidität beider Daumen auszugehen. Sie habe daher gegen die Beklagte einen Anspruch in Höhe von 45.056 EUR, wobei die bereits gezahlten Beträge nicht zu berücksichtigen seien, da die Beklagte sich die Rückforderung dieser Beträge vorbehalten habe.

Ihr sei keine Obliegenheitsverletzung durch die unterlassene Angabe des weiteren Unfallversicherers vorzuwerfen, da sie die entsprechende Frage nur versehentlich nicht ausgefüllt habe und die Beklagte hierzu hätte nachfragen müssen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 45.056 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie eine Anwaltsvergütung in Höhe von 1.641,96 EUR zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, das von der Klägerin zu dem Ereignis vom 01./03.11.2007 vorgetragene Geschehen stelle schon keinen Unfall dar. Vielmehr habe es sich um eine willentliche Bewegung der Klägerin gehandelt. Es sei auch keine erhöhte Kraftanstrengung gegeben gewesen, durch die eine Sehne gerissen sei. Die Bewegungsbeeinträchtigungen der Klägerin seien im Übrigen nicht durch diesen Unfall verursacht worden.

Auch der von der Klägerin vorgetragene Unfall vom 15.11.2007 könne eine Bewegungsbeeinträchtigung der geschilderten Art nicht verursacht haben.

Die bei der Klägerin bestehenden Bewegungsbeeinträchtigungen seien jeweils durch Verschleißerscheinungen ohne die vorgetragenen Unfallereignisse entstanden.

Im Übrigen habe die Klägerin vorsätzlich ihre Obliegenheit zu vollständigen und wahrheitsgemäßen Angaben verletzt, da sie bei den Unfallanzeigen die weitere Unfallversicherung bei der H. Versicherung verschwiegen habe. Die Beklagte sei deshalb leistungsfrei, da...

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