Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergleichsgebühr bei Einigung der Eltern über den Aufenthalt des gemeinsamen Kindes bei einem Großelternteil

 

Leitsatz (amtlich)

Einigen sich die Eltern nach gegenläufigen Anträgen zur Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Aufenthalt des gemeinsamen Kindes bei einem Großelternteil und belassen es im Übrigen bei der gemeinsamen Sorge, löst auch dies eine Vergleichsgebühr nach § 23 Abs. 1 BRAGO (jetzt Einigungsgebühr, RVG VV 1000) aus.

 

Normenkette

BRAGO § 23 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Idar-Oberstein (Beschluss vom 09.12.2004; Aktenzeichen 8 F 684/03)

 

Tenor

Die Beschwerde des Bezirksrevisors gegen den Beschluss des AG - FamG - Idar-Oberstein vom 9.12.2004 wird zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Im vorliegenden isolierten Sorgerechtsverfahren hatten die getrennt lebenden Eltern, denen die elterliche Sorge für ihre Tochter bisher gemeinsam zustand, gegenläufige Anträge auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts gestellt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17.3.2004 hat das FamG im Einvernehmen mit den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Großmutter väterlicherseits übertragen, es im Übrigen bei der gemeinsamen Sorge der Eltern belassen und ein Besuchsrecht der Mutter geregelt.

Die den beiden im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Verfahrensbevollmächtigten aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung hat die Urkundsbeamtin auf jeweils 571,30 EUR festgesetzt und hierbei antragsgemäß eine Vergleichsgebühr berücksichtigt. Die hiergegen eingelegten Erinnerungen des Bezirksrevisors hat das FamG durch Beschl. v. 9.12.2004 mit der Begründung zurückgewiesen, die einvernehmliche Regelung sei erst nach sehr streitiger Erörterung im Wege des gegenseitigen Nachgebens gefunden worden, hierdurch sei die Vergleichsgebühr angefallen. Gegen diesen ihm am 20.12.2004 zugestellten Beschluss hat der Bezirksrevisor am 28.12.2004 Beschwerde eingereicht mit dem Antrag, die Vergütung auf jeweils 352,06 EUR herabzusetzen. Er ist der Ansicht, eine Vergleichsgebühr sei nicht angefallen, weil die Dispositionsbefugnis der Eltern nicht die Übertragung des Sorgerechts auf Dritte umfasse.

II. Die Beschwerde der Staatskasse ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Nach 61 Abs. 1 S. 2 RVG ist auf das Beschwerdeverfahren das seit dem 1.7.2004 geltende Recht anwendbar, weil das Rechtsmittel nach diesem Zeitpunkt eingelegt wurde, sodass sich die Zulässigkeit der Beschwerde nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 und 3 RVG richtet; deren Voraussetzungen sind gewahrt.

Entgegen der Ansicht des Bezirksrevisors hat das FamG beiden Anwälten zu Recht eine Vergleichsgebühr gem. § 23 Abs. 1 BRAGO (für die Vergütung der Anwälte gilt noch altes Recht, § 60 Abs. 1 S. 1 RVG) zuerkannt. Zwar unterliegt die Sorgerechtsregelung und damit auch die Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts als eines Teils der elterlichen Sorge nach wie vor nicht der Verfügungsbefugnis der Parteien. Nach der Neuegelung des § 1671 BGB kommt dem übereinstimmenden Vorschlag der Eltern jedoch insoweit eine besondere Bedeutung zu, als das Gericht dem Antrag auf Aufhebung der gemeinsamen Sorge bei Zustimmung des anderen Elternteils stattgeben und dem gemeinsamen Wunsch entsprechen muss (wenn nicht ein bereits 14 Jahre altes Kind widerspricht, was hier nicht der Fall ist). Eine Richtigkeitskontrolle durch das Gericht oder eine Überprüfung der Motive erfolgt bei Vorliegen einer entsprechenden Elternvereinbarung ebenso wenig wie die Überprüfung der Frage, ob die von ihnen getroffene Regelung zur (teilweisen) Aufhebung der gemeinsamen Sorge dem Wohl des Kindes am besten entspricht (Palandt/Diederichsen, BGB, 64. Aufl., § 1671 Rz. 5 f. [13]). Eine am Kindeswohl orientierte inhaltliche Überprüfung der Elternvereinbarung findet nur statt, wenn Anzeichen für eine Gefährdung des Kindeswohls durch Sorgerechtsmissbrauch oder Kindesvernachlässigung bestehen mit der Folge, dass die gem. § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB bestehende Bindung des Gerichts an den Elternvorschlag entfällt und das Verfahren gem. § 1671 Abs. 3 BGB von Amts wegen in ein solches nach § 1666 BGB übergeleitet werden muss. Diese in der Neuregelung des § 1671 BGB zum Ausdruck gekommene Stärkung der (Mit-)Bestimmungsrechte der Eltern und die damit einhergehende Einschränkung des gerichtlichen Prüfungsumfanges und Entscheidungsspielraumes machen deutlich, dass die Eltern unter bestimmten Voraussetzungen durchaus "verbindliche" Regelungen zum Sorgerecht treffen können, von denen das Gericht in seiner danach zu treffenden Entscheidung nicht abweichen kann. Dies rechtfertigt die Zuerkennung einer Vergleichsgebühr für den Anwalt, der durch seine Bemühungen an der Beilegung eines zuvor bestehenden Streits über das Sorgerecht mitgewirkt hat (h.M.: OLG Koblenz v. 4.4.2001 - 13 WF 711/00, MDR 2001, 1017 = FamRZ 2002, 36; OLG Düsseldorf JurBüro 2001, 135; OLG Zweibrücken JurBüro 2001, 134; OLG Stuttgart v. ...

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