Leitsatz (amtlich)

1. Einem Elternteil, der nicht (mehr) Inhaber der elterlichen Sorge ist, steht gegen die eine Aufsichtsmaßnahme gegenüber dem Vormund ablehnende Entscheidung des Familiengerichts kein Beschwerderecht zu. Etwas anderes kann ausnahmsweise gelten, wenn das betroffene Kind vom Vormund in die Obhut des eines nicht (mehr) sorgeberechtigten Elternteils gegeben worden war und dieser eine familiengerichtliche Aufsichtsmaßnahme gegen die Wegnahme des Kindes begehrt.

2. Aufsichtsmaßnahmen des Familiengerichts gegenüber dem Vormund gemäß § 1837 Abs. 2 Satz 1 BGB setzen ein pflichtwidriges Tun oder Unterlassen des Vormunds voraus. Kriterien der Pflichtwidrigkeit sind (einzig) Rechtsverstoß und Handeln gegen das Mündelwohl. Soweit der Vormund bei seiner Amtsführung nicht gegen Gesetz und richterliche Anordnungen verstößt, ist ihm bei der Amtsführung ein Ermessen eingeräumt. Erst der Fehlgebrauch dieses Ermessens begründet eine Pflichtwidrigkeit und damit ein Einschreiten des Familiengerichts.

3. Die Nichtvorlage einer Rechtssache durch den Rechtspfleger an den Richter aus Sachzusammenhangsgründen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 RPflG) ist mit Rechtsmitteln nicht angreifbar.

 

Normenkette

BGB § 1837 Abs. 2; FamFG § 59; RPflG § 5 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

AG Koblenz (Beschluss vom 08.08.2018; Aktenzeichen 205 F 475/16)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Mutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Koblenz vom 08.08.2018, Aktenzeichen 205 F 475/16, wird als unzulässig verworfen. Die Beschwerde des Vaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - vom 08.08.2018, Aktenzeichen 205 F 475/16, wird zurückgewiesen.

2. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beschwerdeführer sind die Eltern des im Juli 2011 geborenen Kindes N.. Beide wenden sich vorliegend gegen die Entscheidung des Jugendamts der Stadt K. als Vormund, das Kind nicht länger im Haushalt des Vaters unterzubringen, sondern in einer Heimeinrichtung.

Dem liegt der folgende Sachverhalt zugrunde:

N. lebte seit der Geburt zunächst im Haushalt seiner Mutter. Die elterliche Sorge übte die Mutter allein aus. Sie ist daneben - aus einer früheren Verbindung - die Mutter zweier älterer Kinder, J. und L.

Mit Schreiben vom 21.09.2016 beantragte das Jugendamt der Stadt K. bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Koblenz, der Mutter im Wege der einstweiligen Anordnung die elterliche Sorge für N. zu entziehen und das Jugendamt zum Vormund zu bestellen. Die Mutter habe am Vortag einen psychischen Zusammenbruch erlitten, nachdem ihr Sohn L. in eine Wohngruppe im H. zum Zwecke der Fremdunterbringung gebracht werden sollte. Sie habe unter anderem mit Suizid gedroht. Die beiden noch im Haushalt der Mutter lebenden Kinder J. und N. seien deswegen in Obhut genommen und bei ihren jeweiligen Vätern untergebracht worden. Beide Väter seien aus Sicht des Jugendamts in der Lage, die Betreuung und Versorgung der Kinder zu übernehmen. Sie seien schon länger daran interessiert, eine stärkere Erziehungsverantwortung für ihre Kinder zu übernehmen, was aber stets an der Weigerung der Mutter gescheitert sei. Es sei zunächst erforderlich, die elterliche Sorge auf das Jugendamt als "neutrale Person" zu übertragen, da die Väter Schwierigkeiten hätten, die Belange der Kinder gegenüber der Mutter durchzusetzen.

Mit Beschluss vom 26.09.2016 entzog das Familiengericht daraufhin im Wege der einstweiligen Anordnung und ohne mündliche Erörterung der Mutter die elterliche Sorge insgesamt und bestellte das Jugendamt der Stadt K. zum Vormund. Dabei nahm es auf den Antrag des Jugendamtes Bezug. Ausführungen dazu, weswegen eine Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater gemäß § 1680 BGB nicht in Betracht komme, enthält der Beschluss nicht. Die mündliche Erörterung mit den Beteiligten fand in der Folge am 08.11.2016 statt. Das Jugendamt erklärte in diesem Termin, dass beim Vater eine Familienhilfe installiert werden solle, weil bei N. erhebliche Entwicklungsverzögerungen zu beobachten seien. Die einstweilige Anordnung wurde sodann mit Beschluss vom 08.11.2016 aufrechterhalten, ein Rechtsmittel legte keiner der Beteiligten ein. Das Kind lebte weiterhin im Haushalt des Vaters.

Das Familiengericht leitete sodann von Amts wegen ein Hauptsacheverfahren zur Entscheidung über die elterliche Sorge für das Kind ein. Nach einem Erörterungstermin am 27.01.2017 bestellte es mit Beschluss vom 01.02.2017 eine Verfahrensbeiständin für das Kind. Diese berichtete, dass das Kind zu seinen Eltern eine liebevolle Beziehung führe, gleichwohl über erheblichen Förderungsbedarf verfüge. Sie regte daher die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Erziehungsfähigkeit der Eltern an.

Das Familiengericht gab daraufhin mit Beschluss vom 07.04.2017 die Einholung eines solchen Gutachtens in Auftrag. Dieses sollte sich insbeso...

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