Leitsatz (amtlich)

1. Nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist bedarf der Verteidiger zur wirksamen Beschränkung der Berufung der ausdrücklichen Ermächtigung durch den Angeklagten gemäß § 302 Abs. 2 StPO.

2. Das Empfangsbekenntnis nach §§ 37 Abs. 1 StPO, 212 a ZPO kann nachträglich erstellt werden. Es wirkt dann auf den Zeitpunkt zurück, in dem der Zustellungsempfänger das zugestellte Schriftstück entgegengenommen hat

(s. auch Senatsbeschluss vom 19. 05. 1999 - 1 Ss 67/99 zur Beschränkung der Berufung nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist)

 

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 2. kleinen Strafkammer des Landgerichts Mainz vom 9. November 1999 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Mainz zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Worms verurteilte den Angeklagten am 14. September 1999 wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte durch Schriftsatz seiner gerichtlich bestellten Verteidigerin fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung ein. Nach Zustellung des schriftlichen Urteils an die Verteidigerin am 8. Oktober 1999 erklärte diese durch am 19. Oktober 1999 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 18. Oktober 1999 die Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch.

Die Strafkammer hat die Berufungsbeschränkung für wirksam erachtet und das Rechtsmittel als unbegründet verworfen.

Dagegen wendet sich der Angeklagte mit der form- und fristgerecht eingelegten Revision. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II.

Das hinsichtlich der Sachrüge zulässige Rechtsmittel hat Erfolg. Die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung von Verfahrenshindernissen (Teilrechtskraft) ergibt, dass die Strafkammer zu Unrecht eine Berufungsbeschränkung auf den Strafausspruch angenommen und damit den Umfang des zur Überprüfung stehenden Prozessgegenstandes verkannt hat.

1.

Durch den Schriftsatz der Verteidigerin vom 18. Oktober 1999 ist keine wirksame Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch erfolgt. Es handelte sich nicht um eine Konkretisierung des Rechtsmittels, sondern um eine Teilrücknahme, für die der Verteidiger gemäß § 302 Abs. 2 StPO einer ausdrücklichen Ermächtigung bedarf. Diese hat der Verteidigerin nicht vorgelegen.

a) Mit Schriftsatz vom 7. Februar 2000 hat die Verteidigerin mitgeteilt, dass die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch nicht mit dem Angeklagten abgesprochen war. Als Pflichtverteidigerin war sie auch nicht mit einer allgemeinen Formularvollmacht ausgestattet, die regelmäßig die Erklärung von Rechtsmittelrücknahme und Rechtsmittelverzicht mitumfasst. Selbst wenn sie vorher Wahlverteidigerin gewesen wäre, würde eine solche Vollmacht nach Niederlegung des Wahlmandats im Zusammenhang mit der Pflichtverteidigerbestellung nicht fortgelten (BGH NStZ 1991, 94; KK-Ruß StPO § 302 Rdnr. 23 m. w. N. ).

b) Einer ausdrücklichen Ermächtigung zur Rechtsmittelbeschränkung hätte die Verteidigerin nur dann nicht bedurft, wenn die Beschränkung innerhalb der Berufungsbegründungsfrist nach § 317 StPO erfolgt wäre. In diesem Fall würde es sich bei der Rechtsmittelbeschränkung nicht um eine Teilrücknahme, sondern lediglich um eine nicht den Anforderungen des § 302 Abs. 2 StPO unterliegende Konkretisierung des Rechtsmittels handeln. In der Anfechtungserklärung liegt noch keine Aussage darüber, in welchem Umfang das Urteil angefochten werden soll. Dieser wird erst durch die innerhalb der Rechtsmittelbegründungsfrist nachfolgende Erklärung bestimmt (BGHSt 38, 4 = NJW 1991, 3162; KK-Ruß, StPO, 4. Auflage § 302 Rn. 20 a; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl. , § 302 Rn. 29). Die vorgenannten, vom Bundesgerichtshof für die Revision aufgestellten, Grundsätze gelten auch für die Berufung (Senatsbeschluss vom 19. Mai 1999 - 1 Ss 67/99 -; KK-Ruß, StPO § 318 Rn. 3). Ebenso wie durch die nach § 344 Abs. 1 StPO vom Revisionsführer - allerdings zwingend - abzugebende Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten werden soll, hat der Berufungsführer gemäß § 318 Satz 1 StPO die Möglichkeit, in der Berufungsrechtfertigung nach § 317 StPO das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte zu beschränken. Geschieht dies nicht oder wird eine Rechtfertigung überhaupt nicht abgegeben, so gilt gemäß § 318 Satz 2 StPO der ganze Inhalt des Urteils als angefochten. Nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist kann das Rechtsmittel deshalb nur noch in der Form der Teilrücknahme nach § 302 StPO beschränkt werden.

c) Die durch Schriftsatz vom 18. Oktober 1999 erklärte Rechtsmittelbeschränkung ist nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist erfolgt. Gemäß § 317 StPO kann die Berufung binnen einer weiteren Woche nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels oder, wenn zu dieser Zeit das Urteil noch nicht zugestellt war, nach dessen Zustellung bei dem...

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