Leitsatz (amtlich)

1. § 406 Abs. 1 ZPO findet auch im selbständigen Beweisverfahren Anwendung. Ob und inwieweit etwas anderes gilt, wenn das Ablehnungsgesuch rechtsmissbräuchlich zur Verfahrensverzögerung und darüber letztlich zur Beweisvereitelung eingesetzt wird, bleibt offen.

2. Werden mehrere Befangenheitsgründe geltend gemacht sind diese grundsätzlich einzeln und in einer Gesamtschau zu prüfen.

3. Bezeichnet ein Sachverständiger den Antragsgegner in einem selbständigen Beweisverfahren in dem die Verursachung eines Schadens durch den Antragsgegner geklärt werden soll als "Verursacher", den Bevollmächtigen als "PV Gegenseite" und führt aus, dass nach dem "vehementen Bestreiten" der Verursachung "leider" weitere Maßnahmen erforderlich sind, ist die Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit begründet.

 

Normenkette

ZPO § 42 Abs. 2, § 406

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Beschluss vom 24.06.2008; Aktenzeichen 16 OH 11/07)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des LG Koblenz vom 24.6.2008 wird das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt.

 

Gründe

Die Voraussetzungen für eine Ablehnung des Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit nach §§ 406 Abs. 1, 42 Abs. 2 ZPO liegen vor. Die Antragsgegnerin hat Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht, die von seinem Standpunkt aus geeignet sind, ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen.

1. Nach § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Für die Besorgnis der Befangenheit kommt es nicht darauf an, ob der vom Gericht beauftragte Sachverständige parteiisch ist oder ob das Gericht Zweifel an seiner Unparteilichkeit hat. Vielmehr rechtfertigt bereits der bei der ablehnenden Partei erweckte Anschein der Parteilichkeit die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, wenn vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus genügend Gründe vorhanden sind, die in den Augen einer verständigen Partei geeignet sind, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu erregen (BGH, NJW 1975, 1363; Beschl. v. 5.11.2001 - X 178/01 - FF 2003, Sonderheft 1, 107 m.w.N.). Eine Ablehnung des Gutachters kommt allerdings nicht schon deswegen in Betracht, weil das Gutachten mangelnde Sachkunde des Sachverständigen zeigt oder Unzulänglichkeiten aufweist. Dies entwertet allein das Gutachten und mag eine ergänzende schriftliche Stellungnahme oder eine Anhörung des Gutachters oder ggf. auch ein Obergutachten rechtfertigen, nicht jedoch die Ablehnung des Sachverständigen (BGH MittdtschPatAnw 2003, 333 = FF 2003, Sonderheft 1, 107). Insoweit ist also zu berücksichtigen, dass der ablehnenden Partei hinreichende Rechtsinstrumente in der Hauptsache bis hin zum Rechtsmittelweg zur Verfügung stehen, um die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit eines Gutachtens geltend zu machen.

§ 406 Abs. 1 ZPO findet dabei auch im selbständigen Beweisverfahren Anwendung (OLG Köln VersR 1993, 72; OLG Frankfurt OLGReport Frankfurt 1999, 11; Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 406 Rz. 1 a.A. B/L/A/H-Hartmann, ZPO, § 406 Rz. 4). Zweck der Regelung ist es u.a., Streitigkeiten über Tatsachen dem Prozess vorzuverlagern, auf der sachlichen Grundlage des in dem Beweisverfahren erstatteten Gutachtens eine vorgerichtliche gütliche Streitbeilegung zu fördern und - falls eine solche scheitert - durch Verwertung des Beweisergebnisses im Streitverfahren eine weitere Beweiserhebung von Amts wegen weitestgehend gem. §§ 493, 412 ZPO zu präkludieren (vgl. hierzu BT-Drucks. 11/3621, 22 Quack, BauR 1991, 278). Dementsprechend ist die Wahl und die Benennung des Sachverständigen nicht mehr dem Antragsteller überlassen (vgl. § 487 Nr. 3 ZPO a.F.), sondern dessen Auswahl und Ernennung sind ausschließlich dem Gericht vorbehalten. Durch die in § 492 ZPO vorgenommene Verweisung auf die Vorschriften der §§ 355 ff. ZPO und die anschließenden Regelungen über die einzelnen Beweismittel sind auch die Bestimmungen über Auswahl (§ 404 ZPO) und Ablehnung (§ 406 ZPO) des Sachverständigen im selbständigen Beweisverfahren für anwendbar erklärt worden (vgl. hierzu BT-Drucks. 11/3621, 23). Daher gilt die allgemein wesentlich verkürzte Ablehnungsfrist für die schriftliche Begutachtung - grundsätzlich spätestens zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Ernennungsbeschlusses - auch für das neue selbständige Beweisverfahren mit der Folge, dass dort die Ablehnung des Sachverständigen nicht nur zulässig, sondern grundsätzlich bereits geboten ist. Eine andere Sicht würde dem Zweck der Regelung sowohl des Sachverständigen- als auch des Beweissicherungsrechts zuwiderlaufen, das Beweisverfahren insgesamt zu straffen und zu beschleunigen sowie - speziell - zu verhindern, dass Sachverständigengutachten eingeholt werden, die für die Entscheidung unverwertbar sind (so zu § 406 Abs. 2 ZPO schon Schneider MDR 1975, 353).

Ob und inwieweit etwas anderes gilt, wenn das Ablehnungsgesuch rechtsmissbräuchlich zur Ve...

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