Leitsatz (amtlich)

Die Eheeingehung durch Täuschung erfordert einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Täuschung und der Eheschließung, wobei es genügt, dass der Getäuschte die Ehe nicht zu diesem Zeitpunkt geschlossen hätte. Dieser Zusammenhang ist kumulativ sowohl objektiv vom Standpunkt einer verständigen Würdigung der Ehe als auch subjektiv vom Standpunkt des getäuschten Ehegatten bei fiktiver Kenntnis der Sachlage zu beurteilen. Abzustellen ist dabei auf die Anschauungen zum Zeitpunkt der Eheschließung.

Die Täuschung über den Beruf eines Ehegatten kann heute nicht mehr zweifelsfrei als objektiv erheblicher Umstand angesehen werden.

Eine Offenbarungspflicht über Vorstrafen besteht vor der Eheschließung nur für nicht unerhebliche Vorstrafen wegen schwerwiegender Vergehen oder Verbrechen (Anschluss an: AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg, BeckRS 2018, 17068, und AG Kulmbach, NJW 2002, 2112).

Unrichtige oder unterlassene Angaben im Vorfeld der Eheschließung vermögen in der Regel keine zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs führende unbillige Härte nach § 27 VersAusglG zu begründen. Denn der Versorgungsausgleich knüpft an die Ehezeit als solche an.

 

Normenkette

BGB § 1314 Abs. 2 Nr. 3; VersAusglG § 27

 

Verfahrensgang

AG Simmern (Aktenzeichen 51 F 474/16)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Simmern/Hunsrück vom 10.02.2021 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst.

Die am 20.06.2021 vor dem Standesbeamten des Standesamtes K. (Register-Nr. ...) begründete Lebenspartnerschaft wird aufgehoben.

[Tenor zum durchgeführten Versorgungsausgleich]

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.812,64 EUR festgesetzt (Scheidung: 5.240,49 EUR; Versorgungsausgleich: 1.572,15 EUR).

 

Gründe

I. Die Beteiligten haben am 20.06.2011 vor dem Standesbeamten des Standesamtes K. zur Register-Nr. ... die Lebenspartnerschaft begründet.

Aufgrund eines im Jahre 2007 gegen die Antragsgegnerin geführten Betrugsverfahrens, von welchem die Antragstellerin keine Kenntnisse hatte, ist die Antragsgegnerin im Frühjahr 2011 zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

Die Beteiligten leben seit Mai 2016 voneinander getrennt.

Die Beteiligten haben sich nach der Trennung gegenseitig mit Strafanzeigen überzogen. Die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin wegen angeblicher Körperverletzung angezeigt, die Antragstellerin die Antragsgegnerin wegen Urkundenfälschung und wegen gegen sie gerichteter Vermögensdelikten. Die Antragsgegnerin ist wegen Urkundenfälschung verurteilt worden.

Mit Antrag vom 05.12.2016, der Antragsgegnerin zugestellt am 13.01.2017 hat die Antragstellerin zunächst die Aufhebung der Lebenspartnerschaft gemäß §§ 1564, 1565, 1566 BGB sowie den Ausschluss der Durchführung des Versorgungsausgleichs gemäß § 27 VersAusglG wegen grober Unbilligkeit beantragt. Mit Antrag vom 13.06.2017 hat sie sodann die Aufhebung der Lebenspartnerschaft mit Wirkung ex tunc gemäß § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB und hilfsweise die Aufhebung der Lebenspartnerschaft nach §§ 1564, 1565, 1566 BGB beantragt. Zur Begründung des Antrags auf Aufhebung der Partnerschaft ex nunc hat die Antragstellerin vorgetragen, dass sie durch die Antragsgegnerin arglistig getäuscht worden sei. Diese habe sich nämlich als Architektin ausgegeben. So habe sie bei ihrem Kennenlernen bereits viel von ihrem Studium erzählt und sie durch die Erzählungen über ihre berufliche Erfahrung als Architektin stark beeindruckt. Zudem habe die Antragsgegnerin vorgegeben, Anrechte im Rahmen der Altersvorsorge erlangt zu haben. Außerdem habe die Antragsgegnerin sie finanziell geschädigt, indem sie ohne ihr Wissen und durch Fälschung ihrer Unterschrift Beleihungen ihrer Lebensversicherung bei der ... zu eigenen Zwecken vorgenommen habe.

Die Antragsgegnerin hat die Aufhebung der Lebenspartnerschaft beantragt und zur Begründung vorgetragen, dass sie lediglich erzählt habe, in einem Architekturbüro gearbeitet zu haben. Sie habe sich nicht als Architektin ausgegeben, zudem sei dies kein Grund für eine rückwirkende Eheaufhebung. Geldbeträge, die sie aus dem Vermögen der Antragstellerin entnommen habe, seien allesamt mit Wissen der Antragstellerin und ausschließlich für den gemeinsamen Hausbau verbrauch worden.

Das Familiengericht hat die Beteiligten persönlich angehört und Beweis durch Zeugenvernehmung erhoben.

Mit Beschluss vom 25.02.2021 hat das Familiengericht die Lebenspartnerschaft rückwirkend gemäß § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, dass zum einen die Frist für den Antrag auf rückwirkende Aufhebung aufgrund arglistiger Täuschung iSv. § 1317 BGB gewahrt worden sei, da die Antragstellerin erst im Rahmen des Erörterungstermins im Parallelverfahren (51 F 451/16) am 19.04.2017 erfahren habe, dass die Antragsgegnerin nicht Architektin sei. Zudem habe die Beweisaufnahme ergebe...

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