Entscheidungsstichwort (Thema)

Übersetzung einer unschlüssigen Klage als unrichtige Sachbehandlung

 

Leitsatz (amtlich)

Ist dem PKH-Antrag der Entwurf einer unschlüssigen Klage gegen einen ausländischen Anspruchsgegner beigefügt, kann in der vom Gericht angeordneten Übersetzung des Klageentwurfs eine unrichtige Sachbehandlung liegen, die zur Nichterhebung der Übersetzungskosten führt.

 

Normenkette

GKG §§ 21, 66; GVG § 184 S. 1; ZPO §§ 114, 118, 348, 348a

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Beschluss vom 08.03.2010; Aktenzeichen 8 O 154/09)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Erinnerungsführerin wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des LG Koblenz vom 8.3.2010 geändert und wie folgt neu gefasst:

Auf die Erinnerung der Antragstellerin wird der Kostenansatz der Landesjustizkasse vom 25.11.2009 (Kassenzeichen 3109220034314) über 838,95 EUR aufgehoben.

Die in Rechnung gestellten Kosten sind wegen unrichtiger Sachbehandlung nicht zu erheben.

2. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die Antragstellerin beantragte Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage gegen ihre angebliche Vertragspartnerin mit Geschäftssitz in der Türkei.

Dazu teilte ein beisitzender Richter auf Probe (§ 348 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), dessen Auftrag (§ 118 Abs. 3 ZPO) sich aus den Akten nicht ergibt, den Bevollmächtigten der Antragstellerin mit, vor der Entscheidung über den PKH-Antrag müsse der Anspruchsgegnerin rechtliches Gehör gewährt werden. Das erfordere die Übersetzung des Klageentwurfs in die türkische Sprache. Hierfür müsse die Antragstellerin einen Vorschuss von 150 EUR zahlen. Die Bevollmächtigten der Anspruchstellerin beantworteten dies mit einem Hinweis auf den gestellten PKH-Antrag. Daraufhin verfügte derselbe Richter "Übersetzung ins Türkische veranlassen". Dadurch entstanden Kosten von 838,95 EUR. Wie zuvor durch den Richter auf Probe angeordnet wurden Original und Übersetzung "formlos" an die Anspruchsgegnerin gesandt "zur Stellungnahme ... binnen 2 Wochen".

Nachdem eine Reaktion der Anspruchsgegnerin ausgeblieben war, lehnte ein nunmehr gem. § 348a ZPO mit der Sache befasster anderer Richter den Prozesskostenhilfeantrag mit der Begründung ab, die Klage sei unschlüssig. Dieser Beschluss wurde nicht angefochten.

Den Kostenansatz von 838,95 EUR beanstandete die Antragstellerin mit der Erinnerung. Der Bezirksrevisor bei dem LG Koblenz wies darauf hin, das PKH-Bewilligungsverfahren sei zwar gebühren- aber nicht auslagenfrei. Dieser Sicht der Dinge ist der Einzelrichter in der nunmehr angefochtenen Entscheidung beigetreten und hat die Erinnerung zurückgewiesen. Der dagegen gerichteten Beschwerde hat er nicht abgeholfen. Gründe für die Einlegung der "sofortigen Beschwerde" habe die Antragstellerin nicht vorgebracht.

Das zulässige Rechtsmittel (Beschwerde nicht "sofortige Beschwerde - § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG) hat Erfolg, weil die Gründe, aus denen der Kostenansatz durchgreifenden Bedenken begegnet, offen zutage liegen:

Nach der bestandskräftigen ablehnenden PKH-Entscheidung ist die Klage unschlüssig. Aus welchem tragfähigen Sachgrund das LG den Entwurf der unschlüssigen Klage in die türkische Sprache hat übersetzen lassen, statt den PKH-Antrag sofort abzulehnen, erschließt sich dem Senat nicht. Einen Rechtsgrundsatz, dass potentielle Anspruchsgegner auch über eine beabsichtigte unschlüssige Klage zu informieren sind, gibt es nicht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 zweiter Halbsatz ZPO). Dementsprechend war die Übersetzung überflüssig, darüber hinaus wohl auch von einem nicht dazu beauftragten Richter angeordnet (§ 118 Abs. 3 ZPO).

Bei richtiger Behandlung der Sache wären die Kosten nicht entstanden. Sie sind daher nicht zu erheben (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GKG), weil der Senat den Verfahrensfehler des LG als schwerwiegend erachtet

Daneben kann dahinstehen, ob die unrichtige Sachbehandlung sich auch daraus erschließt, dass der Klageentwurf und die Übersetzung formlos in die Türkei übersandt wurden, so dass nicht feststeht, ob die Schriftstücke die vermeintlich anzuhörende Anspruchsgegnerin überhaupt erreicht haben (vgl. zum Erfordernis, die maßgeblichen Vorschriften für die Auslandszustellung zu beachten, den in MDR 2010, 101 abgedruckten OLG Koblenz vom 20.11.2009 - 14 W 763/09 -, der allerdings einen Fall der EU - Auslandszustellung betrifft).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 66 Abs. 8 GKG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2338019

JurBüro 2010, 432

MDR 2010, 950

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