Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung bei Skiunfall zweier Deutscher in Österreich

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ungeachtet dessen, dass die Haftung beim Zusammenstoss deutscher Skifahrer in Österreich sich nach deutschem Recht richtet, sind Haftungsmaßstab die FIS - Regeln am Unfallort.

2. Zur Frage, welche FIS - Regeln zwischen einem vorausfahrend kreuzenden und einem von hinten herannahenden Skifahrer gelten.

 

Normenkette

BGB § 823; EGBGB Art. 40 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Bad Kreuznach (Aktenzeichen 2 O 361/09)

 

Tenor

Wegen Haftung für einen Skiunfall weist der 5. Zivilsenat des OLG Koblenz den Beklagten darauf hin, dass beabsichtigt ist, seine Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen (§ 522 Abs. 2 ZPO).

 

Gründe

Die Berufung ist ohne Aussicht auf Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das LG die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Was die Berufung dagegen vorbringt, überzeugt nicht. Der Senat beabsichtigt nicht, die Beweisaufnahme zu wiederholen oder zu ergänzen.

1. Das LG ist ohne Begründung davon ausgegangen, dass deutsches Recht anzuwenden ist, obwohl der Unfall sich in Österreich ereignete. Dieser rechtliche Ausgangspunkt wird von der Berufung hingenommen und ist auch nach Auffassung des Senats nicht zu beanstanden. Nach Art. 40 Abs. 2 Satz 1 EGBGB ist deutsches Recht anzuwenden, weil beide Parteien ihren Wohnsitz in Deutschland haben.

2. Zu Recht hat das LG eine Haftung des Beklagten aus § 823 Abs. 1 BGB bejaht. Denn er hat den Skiunfall, der sich am 17.1.2009 gegen 14.50 Uhr in Warth/Österreich ereignete und bei dem der Kläger eine schwere Verletzung des rechten Unterschenkels erlitt, fahrlässig verursacht. Der Beklagte hat beiden Klägern daher den gesamten Schaden, dessen genauen Umfang das LG noch aufklären muss, zu ersetzen.

3. Ungeachtet der Geltung deutschen Schadensersatzrechts sind die Verhaltensvorschriften am Unfallort für die Haftung maßgeblich (vgl. BGH NJW-RR 1996, 732; Palandt/Thorn, BGB, 70. Aufl., Art. 40 EGBGB, Rz. 4 m.w.N.). Demzufolge richten sich die Verhaltens- und Sorgfaltspflichten hier nach den FIS - Regeln. Diese Regeln stellen nämlich in den Alpenländern, insbesondere in Österreich geltendes Gewohnheitsrecht dar (vgl. OLG Brandenburg in NJW-RR 2006, 1558, 1559; OLG Hamm in NJW-RR 2001, 1537 und OLG Düsseldorf in VersR 1997, 193, 194). Mithin hat das LG die Verantwortlichkeit des Klägers und des Beklagten zu Recht daran gemessen.

4. Der Berufung kann nicht darin gefolgt werden, das LG habe die Beweislast verkannt und zu geringe Anforderungen an das Beweismaß gestellt. Richterliche Überzeugung erfordert keine mathematische Gewissheit. Ausreichend ist eine Tatsachengrundlage, die vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet. Das ist hier der Fall.

Das LG hat den unmittelbar nach dem Unfall abgegebenen Erklärungen des Beklagten gegenüber den ermittelnden Polizeibeamten stärkeres Gewicht beigemessen als dem späteren Prozessvortrag. Das ist nach Auffassung des Senats nicht zu beanstanden. Richtig ist allerdings, dass sich in den Ermittlungsakten keine vom Beklagten unterschriftlich autorisierte Erklärung findet, dass er aus dem Tiefschnee neben der Piste kommend in den Pistenbereich eingefahren ist. Damit lässt sich der Inhalt der Ermittlungsakten jedoch nicht falsifizieren. Dass Polizeibeamte inhaltlich unrichtige Aktenvermerke erstellen, liegt fern. Deren aktenkundige Notiz, der Beklagte sei aus dem Tiefschnee kommend auf die Piste gefahren, beruht nicht auf Angaben des Klägers, die sicherlich einer zurückhaltenden Würdigung bedürften. Der schwerverletzte Kläger war mit dem Rettungshubschrauber nach Bregenz geflogen worden und erklärte bei seiner telefonischen Befragung am 18.1.2009, er habe den Beklagten "vorher nicht kommen gesehen". Mithin kann das aktenkundige Eingeständnis einer Tiefschneefahrt nur vom Beklagten selbst stammen. Dessen Erklärung bei der Parteianhörung durch das LG lautete zunächst dahin, es könne "möglich sein", dass er im Tiefschnee gefahren sei. Nachfolgend gibt das Protokoll die Bekundung des Beklagten wieder, wenn er es sich "recht überlege", sei er nicht im Tiefschnee gefahren.

Dieses diffuse Aussageverhalten hat das LG vor dem Hintergrund des zeitnah erstellten und in eine andere Richtung deutenden Ermittlungsberichts überzeugend gewürdigt.

Dass die Berufung das anders sieht, ist nachvollziehbar. Eine Beweiswürdigung zugunsten des Beklagten lässt sich indes nicht auf die Aussage des Zeugen Klein stützen.

Damit ist nicht gesagt, der Zeuge Klein habe bewusst etwas Falsches bekundet. Davon ist auch das LG nicht ausgegangen, sondern hat die Aussage lediglich als in objektiver Hinsicht nicht hinreichend verlässlich angesehen.

Das ist nach Auffassung des Senats nicht zu beanstanden. Die gerichtliche Praxis lehrt, dass Unfallzeugen gelegentlich dazu neigen, aus den von ihnen wahrgenommenen Unfallfolgen Rückschlüsse auf das unmittelbare Unfallgeschehen zu ziehen, obwohl sie es gar nicht beobachtet haben. Die Aussage Klein ist gesichert falsch...

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