Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnungseigentumssache: Zulässigkeit der Streitverkündung und Nebenintervention im selbstständigen Beweisverfahren

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß der 4. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 23. Dezember 1992 teilweise abgeändert:

Die Streitverkündung wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin baut im Auftrag der Antragstellerin auf dem V … in T … einen Verbindungstunnel 7 Fundamente der Gebäude liegen teilweise unter dem Fundament des Hauses V ….

Die Antragstellerin hat ein selbständiges Beweisverfahren darüber beantragt, ob das Haus Risse im Mauerwerk und den Fußböden empfangen hat und ein Teil abgebrochen ist und sich gesenkt hat, und darüber, ob diese Schäden auf die nicht fachgerechten Unterfangungsarbeiten der Antragsgegnerin zurückgehen.

Die Antragstellerin hat weiter drei Mitgliedern der für Planung und Bauleitung gebildeten Arbeitsgemeinschaft, dem Ersteller des Bodengutachtens und der Hauseigentümerin den Streit verkündet mit der Aufforderung, dem Verfahren auf ihrer Seite beizutreten.

Durch den angefochtenen Beschluß hat das Landgericht dem selbständigen Beweisantrag stattgegeben, jedoch in Abschnitt V die Streitverkündung als im selbständigen Beweissicherungsverfahren nicht zulässig nicht zugelassen. In dem Nichtabhilfebeschluß ist weiter zur Begründung ausgeführt, das selbständige Beweisverfahren sei kein Rechtsstreit im Sinne der §§ 72 ff ZPO; es fehle der innere Zusammenhang mit einem Entscheidungsprozeß des Gerichts und ein praktisches Bedürfnis für eine Streitverkündung, weil in Betracht kommende Beteiligte als Gegner benannt werden könnten.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig (§ 567 Abs. 1 ZPO) und begründet.

Die Rechtsprechung und die Literatur zu der Zulässigkeit von Nebenintervention und Streithilfe im Beweissicherungsverfahren früherer Art (§§ 485 ff ZPO alter Fassung) können seit der Umgestaltung des Beweissicherungsverfahrens zum selbständigen Beweisverfahren nicht ungeprüft übernommen werden.

Gegen die Zulässigkeit von Nebenintervention und Streitverkündung im selbständigen Beweisverfahren sprechen sich aus Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 51. Aufl. § 66 Rn. 4 und Einführung vor §§ 72–74 Rn. 3, Thomas/Putzo, ZPO, 17. Aufl. § 66 Anm. 3 und § 72 Anm. 2, Vollkommer bei Zöller, ZPO, 17. Aufl. § 66 Rn. 3 und § 72 Rn. 3, jeweils ohne eingehende Begründung unter Anknüpfung an einen anhängigen oder rechtshängigen „Rechtsstreit”.

Für die Zulässigkeit von Nebenintervention und Streitverkündung im selbständigen Beweisverfahren erklären sich: Schilken in Münchener Kommentar zur ZPO § 66 Rn. 2 unter Bezug auf seinen Aufsatz, in ZZP Band 92 (1979), 238 ff, in dem die Zulässigkeit der Streithilfe aus der Zugehörigkeit des Beweissicherungsverfahrens zur streitigen Gerichtsbarkeit hergeleitet wird; Vygen in ablehnender Anmerkung zu LG Stuttgart BauR 1992, 267; Thomas BauR 1992, 299–300 mit Hinweisen auf das Gesetzgebungsverfahren; Wirth BauR 1992, 300 ff mit ausführlicher Darstellung und Überprüfung des bisherigen Meinungsstands und der möglichen Fallgestaltungen; Jagenburg, Entwicklung des privaten Bauvertragsrechts seit 1991, NJW 1992, 3212 unter Bezug auf Vygen, Thomas und Wirth. Obergerichtliche Entscheidungen sind noch nicht bekannt.

Der Senat folgt der Auffassung, daß Nebenintervention und Streitverkündung auch im selbständigen Beweisverfahren zulässig sind.

Die Voraussetzungen einer Nebenintervention und der Streitverkündung können auch in einem selbständigen Beweisverfahren gegeben sein; die Ziele von Nebenintervention und Streitverkündung können auch innerhalb dieses Verfahrens verfolgt werden. Voraussetzung der Nebenintervention ist das rechtliche Interesse am Obsiegen einer Seite („Hauptpartei”), der der Nebenintervenient („Nebenpartei”) beitritt, in einem Rechtsstreit zweier Parteien. Voraussetzung der Streitverkündung ist das rechtliche Interesse („Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung”) einer Partei gegen einen Dritten für den Fall eines Mißerfolgs. Das Ziel der Nebenintervention ist die Unterstützung der „Hauptpartei”, das Ziel der Streitverkündung auch, widersprüchliche Entscheidungen im Verhältnis zwischen dem Streitverkündenden und dem Empfänger einer Streitverkündung (oft grammatisch falsch „Streitverkündeter” genannt) zu vermeiden. Diese Ziele werden durch eine förmliche Beteiligung des Dritten an dem streitigen Verfahren zweier Parteien erreicht.

Diese Voraussetzungen und Ziele können auch für mehr als zwei Beteiligte gegeben sein, wenn es wie im selbständigen Beweisverfahren um die Feststellung des Zustands einer Person oder Sache, die Ermittlung der Ursache eines Schadens oder Mangels oder die Ermittlung des zur Beseitigung notwendigen Aufwands geht. Nicht selten und gerade bei Baumängeln und -schäden, den Hauptfällen des selbständigen Beweisverfahrens, wird es vom Zufall abhängen, wer von mehreren Betroffenen und Verantwortlichen ein Verfahren als Antragsteiler einleitet und w...

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