Leitsatz (amtlich)

1. Eine freiwillige Leistung i.S.v. § 3 Abs. 4 Nr. 3 BRAGO a.F. - jetzt § 4 Abs. 5 RVG - liegt nicht vor, wenn der Rechtsanwalt seinen über § 45 RVG hinausgehenden Vergütungsanspruch ggü. dem an den Mandanten auszuzahlenden, erstrittenen Hauptsachebetrag aufrechnet.

2. Eine Aufrechnung mit einem Vergütungsanspruch gegenüber einem Vorschuss in anderer Sache setzt nach § 18 BRAGO - § 4 Abs. 1 RVG - eine schriftliche Vereinbarung voraus.

 

Verfahrensgang

LG Freiburg i. Br. (Urteil vom 27.04.2006; Aktenzeichen 1 O 541/03)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Freiburg vom 27.4.2006 abgeändert:

Die Beklagten Ziff. 1-3 und 6 werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 26.779,81 EUR zzgl. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.10.2003 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen sind wie folgt zu tragen:

Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten Ziff. 4 und 5 und 1/3 seiner eigenen außergerichtlichen Kosten sowie 1/3 der Gerichtskosten.

Die Beklagten Ziff. 1-3 und 6 tragen ihre eigenen außergerichtlichen Kosten und als Gesamtschuldner 2/3 der Gerichtskosten und der außergerichtlich Kosten des Klägers.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger und die Beklagten Ziff. 1-3 und 6 können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von den Beklagten die Erstattung von Geldbeträgen, die der beklagten Rechtsanwaltssozietät im Zusammenhang mit dem von ihm erteilten Mandat zur Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs gegen die Rechtsanwälte E. u. F. zugeflossen sind.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils wird Bezug genommen.

Das LG hat die Klage abgewiesen.

Der Kläger verfolgt mit der Berufung sein Klagebegehren unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Bei dem von den Beklagten vorgenommenen Einbehalt aus dem ihm zustehenden Vergleichsbetrag handle es sich nicht um eine Leistung des Klägers i.S.d. § 812 Abs. 1, Alt. 1 BGB, da der Kläger kein Bewusstsein von der Vermögensmehrung zugunsten der Beklagten gehabt habe. Es handle sich insb. nicht um eine freiwillige und vorbehaltslose Leistung i.S.d. § 3 Abs. 4 BRAGO, da ohne wirksame Vereinbarung Fremdgeld auf das eigene Anwaltskonto abgezweigt worden sei. Die insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten hätten neben dem Zahlbetrag des Haftpflichtversicherers auch den Selbstbehalt des zur Zahlung verpflichteten Rechtsanwalts F. vereinnahmt und nicht ausgekehrt. Die Beweiswürdigung des LG sei fehlerhaft. Soweit die Beklagten Vereinbarungen der Parteien bezüglich der Zahlung von Anwaltshonorar trotz bewilligter Prozesskostenhilfe behauptet hätten, sei ihr Vorbringen durch die Aussagen des Zeugen L. widerlegt. Die vorgenommenen Verrechnungen der geleisteten Vorschüsse seien nicht nachvollziehbar. Eine freie Verrechenbarkeit sei nicht vereinbart worden.

Der Kläger beantragt:

Die Beklagten werden unter Abänderung des am 27.4.2006 verkündeten Urteils des LG Freiburg, Az. 1 O 541/03, verurteilt, an den Kläger 26.779,81 EUR zzgl. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit 15.10.2003 zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten Ziff. 4 und 5 seien nicht passivlegitimiert, da sie nicht Gesellschafter der Anwaltssozietät seien. Dies ergebe sich aus der Kennzeichnung durch Sternchen nebst Erläuterung auf dem Briefkopf. Der Beklagte Ziff. 5 trägt außerdem vor, er sei erst seit 08/2001, also nach Mandatserteilung, von der Beklagten Ziff. 6 angestellt worden und habe mit dem Haftungsprozess gegen Rechtsanwalt F. nicht zu tun gehabt. Er erscheine auch nicht in der vom Kläger unterzeichneten Vollmacht. Eine Haftung als Scheinsozius scheide somit aus.

Die Beklagten verteidigen im Übrigen das erstinstanzliche Urteil. Soweit der Kläger seine Klagansprüche hilfsweise auf einen von den Beklagten vereinnahmten und nicht ausgekehrten Betrag von 6.645,85 EUR stützt, tragen sie vor, von diesem Betrag seien nach Abzug einer Gegenforderung der Rechtsanwälte F. u.a. in mehreren Teilbeträgen insgesamt 6.475,08 EUR beigetrieben worden. Sie hätten diesen Betrag mit den noch offenen Forderungen aus dem Mandat des Klägers verrechnet und den Restbetrag von 3.274,33 EUR an ihn ausgekehrt.

Wegen der Einzelheiten wird auf die im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung des Klägers hat überwiegend Erfolg, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage gegen die Beklagten Ziff. 1-3 und 6 wendet; ggü. den Beklagten Ziff. 4 und 5 ist die Berufung unbegründet.

1. Soweit sich die Klage gegen die Beklagten Ziff. 4 und...

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