Leitsatz (amtlich)

1. Bei einem Erwerb des Fahrzeugs am 2. Februar 2018 nach Aufspielen des Software-Updates besteht nicht deshalb ein Schadensersatzanspruch, weil die Motorsteuerung des Fahrzeugs ursprünglich werksseitig mit einer Software ausgestattet war, die den Stickoxidausstoß auf dem Prüflaufstand gegenüber dem Ausstoß im normalen Fahrbetrieb beeinflusste (BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20 -, juris).

2. Die Behauptung, dass in vielen Fällen negative Folgen des Software-Updates (z.B. erhöhter Verbrauch, geringere Motorleistung, erhöhter Verschleiß etc.) auftreten sollen, begründet jedenfalls dann keine Haftung des Herstellers, wenn der Kläger solche Folgen am eigenen Fahrzeugen nicht vorträgt.

3. Unabhängig von der rechtlichen Zulässigkeit des sog. "Thermofensters" und der befürchteten Folgen des Softwareupdates für das Fahrzeug kann das Verhalten des Herstellers in Bezug auf die Ausgestaltung und Folgen des Softwareupdates nicht als sittenwidrige vorsätzliche Schädigung bewertetet werden. Dies gilt jedenfalls, wenn er - wie hier - gegenüber dem KBA im Rahmen des Freigabeprozesses die "Strategie" des Thermofensters offengelegt hat.

4. Eine Haftung des Herstellers im Zusammenhang mit dem On-Board-Diagnosesystem (OBD) ist nicht schlüssig dargelegt.

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 16. April 2019 - 2 O 313/18 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 24.601,99 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin im Zusammenhang mit dem Kauf eines von dem sog. "Abgasskandal" betroffenen Fahrzeugs.

Die Beklagte stellte unter der Bezeichnung "EA 189" einen Dieselmotor mit der Abgasnorm Euro 5 her, in dessen Motorsteuerung eine zuvor in Kooperation mit der R. B. GmbH entwickelte Software zur Abgassteuerung installiert wurde. Diese Software verfügt über zwei unterschiedliche Betriebsmodi, welche die Abgasrückführung steuern. In dem im Hinblick auf den Stickoxidausstoß optimierten "Modus 1", der beim Durchfahren des für die amtliche Bestimmung der Fahrzeugemissionen maßgeblichen Neuen Europäischen Fahrzyklus (nachfolgend: NEFZ) automatisch aktiviert wird, kommt es zu einer höheren Abgasrückführungsrate, wodurch die gesetzlich geforderten Grenzwerte für Stickoxidemissionen eingehalten werden. Bei im normalen Straßenverkehr anzutreffenden Fahrbedingungen ist der partikeloptimierte "Modus 0" aktiviert, der zu einer geringeren Abgasrückführungsrate und damit zu einem höheren Stickoxidausstoß führt.

Der o.g. Dieselmotor wurde auf Veranlassung des Vorstands der Beklagten nicht nur in diversen Fahrzeugtypen der Beklagten, sondern auch in solchen der zum V.-Konzern gehörenden Unternehmen - ua in den hier in Streit stehenden und von der A. AG hergestellten A. A5 2.0 TDI Sportback DPF mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ... - verbaut.

Mit Bescheid vom 15. Oktober 2015 verfügte das Kraftfahrtbundesamt (im Folgenden: KBA) gegenüber der Beklagten "zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit der [...] Typengenehmigung [...] des Typs EA 189 EU5" die "unzulässigen Abschalteinrichtungen" zu entfernen und drohte damit, andernfalls "die Typengenehmigung ganz oder teilweise zu widerrufen oder zurückzunehmen". Zugleich wurde die Beklagte verpflichtet, den technischen Nachweis zu führen, dass nach Entfernen der als unzulässig eingestuften Abschalteinrichtung alle technischen Anforderungen der relevanten Einzelrechtsakte der Richtlinie 2007/46/EG erfüllt werden.

Bereits zuvor - nämlich am 15. September 2015 - hat die Beklagte in einer Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 WpHG in der bis 1. Juli 2016 geltenden Fassung der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass sie "die Aufklärung von Unregelmäßigkeiten einer verwendeten Software bei Diesel-Motoren mit Hochdruck" vorantreibe, wobei "Fahrzeuge mit Motoren vom Typ EA 189 mit einem Gesamtvolumen von weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen" auffällig seien.

Am 20. September 2015 hat der damalige Vorstandsvorsitzende der V. AG Professor Dr. M. W. erklärt, dass "[d]ie US-Behörden CARB und EPA [...] die Öffentlichkeit in den USA darüber informiert [hätten], dass bei Abgastests an Fahrzeugen mit Dieselmotoren des V. Konzerns Manipulationen festgestellt worden [seien] und damit gegen amerikanische Umweltgesetze verstoßen worden [sei]".

Mit Pressemitteilung vom 2. Oktober 2015 informierte die Beklagte über die Bereitstellung eines Tools auf ihrer Webseite, mittels dessen jeder Fahrzeughalter anhand seiner Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) abfragen k...

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