Entscheidungsstichwort (Thema)

Materieller und immaterieller Schadensersatzanspruch: Sturzunfall eines Fußgängers auf schneeglattem Gehweg

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 13.05.2011; Aktenzeichen 6 O 216/09)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 13.5.2011 - 6 O 216/09 - wie folgt abgeändert:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 3.341,35 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 14.05.2009 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 09.01.2006 im Bereich des Gehwegs vor dem Anwesen Gartenstr. 26a, 76133 Karlsruhe, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weiter gehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsrechtszugs.

IV. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht mit der Klage Ansprüche aus einem Sturzereignis wegen angeblicher Verletzung der Räum- und Streupflicht geltend.

Das LG, auf dessen Urteil wegen des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug sowie der getroffenen Feststellungen Bezug genommen wird, hat der Klage teilweise stattgegeben.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens ihren Antrag auf Klageabweisung weiter verfolgen. Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im zweiten Rechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, wegen der Antragstellung auf die Sitzungsniederschrift vom 07.03.2011 (II 83). Der Senat hat ergänzend Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin R. zum geltend gemachten Haushaltsführungsschaden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 07.03.2012 verwiesen (II 85/87).

II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache lediglich in geringem Umfang Erfolg.

Die Klägerin hat, wie das LG im Wesentlichen zutreffend ausführt, gegen die Beklagten als Gesamtschuldner gem. §§ 823 Abs. 1, 249, 253 Abs. 2, 843 Abs. 1 BGB einen Schadensersatzanspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 5.000,00 EUR, auf Ersatz materiellen Schadens allerdings nur in Höhe von 2.006,14 EUR - mithin nach Teilleistung in Höhe von 3.664,79 EUR - noch restlicher 3.341,35 EUR - sowie die begehrte Feststellung mit der aus dem Antrag (II 83) und Tenor ersichtlichen Einschränkung hinsichtlich des Übergangs auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte.

1. Der Beklagte zu 2 hat die ihm durch den Hausmeisterarbeitsvertrag (AH I, 43-71) übertragene Räum- und Streupflicht schuldhaft verletzt. Die Beklagte zu 1 hat die bei ihr danach noch verbliebene Kontroll- und Überwachungspflicht hinsichtlich einer ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung durch den Beklagten zu 1 schuldhaft verletzt. Der Kläger ist dadurch gestürzt.

a) Die Beklagte zu 1 traf die Verkehrssicherungspflicht für den zum öffentlichen Verkehrsraum gehörenden Fußweg vor ihrem Haus, auf dem der Kläger - wie die Beweisaufnahme vor dem LG ergeben hat - gestürzt ist. Hinsichtlich des Gehweges hat die Gemeinde K. den Verkehr eröffnet, sodass sie primär die Streupflicht trifft. Gemäß § 2 Abs. 1 der Ortssatzung (AH I, 75-83) ist indes die Reinigungspflicht für die Gehwege den Eigentümern der angrenzenden bebauten und unbebauten Grundstücke auferlegt worden. Eine solche Übertragung auf den sodann verkehrssicherungspflichtigen Anlieger ist zulässig. Regelmäßig kann auch angenommen werden, dass das Ortsstatut die im Rahmen der deliktischen Verantwortlichkeit maßgebliche Erwartung des Verkehrs angemessen berücksichtigt (vgl. OLG Celle, NJW-RR 2004, 1251 f., juris Tz. 3 m.w.N.). Die Pflichten der Anlieger richten sich hinsichtlich des Umfangs grundsätzlich nach dem Übertragungsakt, hier der Ortssatzung (OLG Brandenburg, Urteil vom 26.02.2008, Az. 2 U 48/06, juris Tz. 28; Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 823 Rn. 229). § 5 Abs. 4 der Satzung sieht hier vor, dass bei Glätte werktags in der Zeit von 07.30 Uhr bis 21.00 Uhr zur Sicherung des Fußgängertagesverkehrs die Gehwege zu räumen und zu streuen sind. Nach § 5 Abs. 1 sind die Gehflächen von Schnee und auftauendem Eis zu räumen und bei Glätte zu bestreuen, jeweils in der Art, dass der Fußgängerverkehr möglichst gefahrlos und flüssig bleibt.

b) Auch die Voraussetzungen für eine Räum- und Streupflicht lagen danach vor. Ohne Erfolg greifen die Beklagten mit der Berufung insoweit die Beweiswürdigung des LG an. Das LG hat - auch den Senat überzeugend und damit gem. § 529 Abs. 1 ZPO bindend - festgestellt, dass nach der glaubhaften Aussage der Zeugin R. sowie der Anhörung des Klä...

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