Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz aus Anwaltsvertrag. Anwaltsmediator, widerstreitende Interessen, dieselbe Rechtssache

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist auch eine anwaltliche Tätigkeit als Mediator im Einverständnis beider Parteien mit dem Ziel der Vermittlung zulässig, so ist doch jede spätere Tätigkeit des Rechtsanwalts in (denselben) Rechtssachen, die Gegenstand der Mediation waren, gemäß § 43 a Abs. 4 BRAO ausgeschlossen.

Der Rechtsanwalt, der nach dem klaren Hervortreten der Interessengegensätze der Parteien (hier Eheleute) seine Tätigkeit für eine Partei weiterführt, indem er sie trotz des bestehenden Interessenkonflikts weiter berät oder vertritt, handelt pflichtwidrig. Daran ändert nichts, dass seine weitere Tätigkeit (die hier zum Abschluss einer Scheidungsvereinbarung geführt hat) dem Willen beider Parteien entsprochen hat und der Rechtsanwalt die von ihm (weiter) beratene Partei über die möglichen Risiken einer einvernehmlichen Regelung aufgeklärt hat.

2. Bei Fragen des güterrechtlichen Ausgleichs, des Unterhalts und der Auseinandersetzung hinsichtlich eines in der Ehe vorhandenen Hauses handelt es sich um einen Fall des (durch die Ehe begründeten) einheitlichen Lebensverhältnisses und damit um dieselbe Rechtssache, die durch widerstreitende Interessen bestimmt wird.

 

Normenkette

BRAO § 43 Abs. 4

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts K. vom 22. Februar 2000 (11 O 39/98) im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen wie folgt abgeändert:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.674,25 DM nebst 4 % Zinsen ab 29. April 1998 zu zahlen.

2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

II. Von den Kosten erster Instanz trägt die Klägerin 98 %, der Beklagte 2 %; von den Kosten der Berufungsinstanz trägt die Klägerin 93 %, der Beklagte 7 %.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Wert der Beschwer übersteigt 60.000 DM nicht.

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den beklagten Rechtsanwalt wegen Verletzung seiner Pflichten aus einem Anwaltsmandat auf Schadensersatz in Anspruch.

Die am 13.02.1956 geborene Klägerin war mit ihrem früheren Ehemann M. O. seit 09.07.1976 im gesetzlichen Güterstand verheiratet. Nachdem die geschiedenen Eheleute schon seit 1991 in der früheren ehegemeinsamen Wohnung getrennt gelebt hatten, zog die Klägerin im Jahre 1995 aus und wohnte seit April 1995 zusammen mit den aus der Ehe hervorgegangenen Töchtern H. (geb. am …) und G. (geb. am …) zur Miete. Sie übte eine Halbtagstätigkeit als kaufmännische Angestellte im elterlichen Unternehmen, der Firma H. GmbH aus. Im Gegensatz zur vermögenslosen Klägerin verfügte ihr geschiedener Ehemann u.a. über Grundbesitz sowie Barvermögen aus fälligen Lebensversicherungen. Er war als Bilanzbuchhalter berufstätig und bewohnte die bisherige Ehewohnung in seinem Hausanwesen P.straße in K.. Dieses war ihm aufgrund eines notariellen Übergabevertrags des Notariats K. vom 16.02.1979 am 09.04.1979 von seinen Eltern F. und L. O. übertragen worden, wobei seiner Schwester C. S. ein hälftiger Nießbrauch an dem Grundstück eingeräumt wurde.

Ende Juli 1999 erteilten beide geschiedenen Eheleute, um Kosten für mehrere Rechtsanwälte zu sparen, dem Beklagten das Mandat, sie über die Einzelheiten der von beiden beabsichtigten Ehescheidung zu beraten. Sie waren beide bekannt mit dem Beklagten, dessen Bruder mit der Schwester des früheren Ehemanns der Klägerin, M. O., verheiratet war. Ab dem 03.08.1995, an dem die Klägerin und ihr geschiedener Ehemann zum ersten Mal gemeinsam beim Beklagten waren, kam es zu mehreren Besprechungsterminen mit ihm. Am 03.08.1995 legte der Beklagte eine Akte an und protokollierte eine Aktennotiz (vgl. Anl. B 5 zum Schriftsatz des Beklagten vom 05.05.1998, I 37 ff., Anl.Heft des LG Bl. 34). In dieser ist u.a. vermerkt, dass der geschiedene Ehemann der Klägerin Alleineigentümer des ihm schenkweise übertragenen Anwesens P.straße sei. Der Beklagte fertigte anschließend einen ersten Entwurf einer Scheidungsfolgenvereinbarung (Anl. B 7, Anl.Heft Bl. 39 ff.), den er der Klägerin und ihrem geschiedenen Ehemann mit der Bitte um Durchsicht zusandte. In dieser ist u.a. vermerkt:

„Das während der Ehe erworbene, dem Zugewinnausgleich unterfallende Vermögen besteht im wesentlichen danach aus dem Wertzuwachs des an Herrn O. von seinen Eltern schenkungsweise im Jahr 1979 übertragenen Anwesens in der P.straße (richtig: P.straße) mit einem Versicherungswert von ca. 1,3 Mio. Diesbezüglich besteht eine schuldrechtliche Vereinbarung mit der Schwester von Herrn O. dahingehend, dass die Hälfte des Ertrages (Mieteinnahmen abzüglich Ausgaben) an diese auszukehren ist. Der Mietertrag selbst liegt bei ca. 33.000,00.”

Weiter ist u.a. handschriftlich vermerkt: „Verkehrswert ca. 885.000,–”.

In der Folgezeit fertigte der Beklagte einen zweiten Entwurf einer „Scheidungsvereinbarung/Erbvertrag”(Anl. B 12, Anl.Heft Bl. 50), in dem neben dem Wertzuwachs des genannten Anwesens als weiteres dem Zugewinn unter...

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