Leitsatz (amtlich)

1. Selektive Vertriebssysteme, bei denen die Auswahl der zugelassenen Wiederverkäufer nicht an quantitative Beschränkungen, sondern an objektive Gesichtspunkte qualitativer Art anknüpft, sind als ein mit Art. 81 Abs. 1 EGV vereinbarer Bestandteil des Wettbewerbs und damit nicht als Wettbewerbsbeschränkung anzusehen, sofern sich die Kriterien für die Aus-wahl der Wiederverkäufer nach den Anforderungen des betreffenden Produkts richten und auf die fachliche Eignung des Wiederverkäufers und seines Personals und auf seine sach-liche Ausstattung bezogen sind; sie müssen ferner einheitlich und diskriminierungsfrei angewandt werden (vgl. EuGH Slg. 1977, 1875 - Metro/SABA I). Das gilt auch nach Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 vom 22.12.1999 (Vertikal-GVO).

2. Die Anwendung der genannten Grundsätze ist nicht auf den Vertrieb von Luxuswaren beschränkt, die eine "Aura des Exklusiven" für sich beanspruchen. Sie gelten z.B. auch dann, wenn ein Hersteller von Markenartikeln (hier: Schulranzen und Schulrucksäcke) diese unter Anknüpfung an objektive Produkteigenschaften als hochpreisige Spitzenprodukte positioniert und deshalb Anforderungen an die Wiederverkäufer stellt, die auf eine angemessene Präsentation der Sortimentstiefe, eine fachkundige Beratung und eine Pflege des Markenimage zielen.

3. In einem solchen Fall können auch an den Vertrieb der Markenartikel über das Internet Anforderungen gestellt werden, die den genannten Zielen dienen; auch diese stellen dann keine Wettbewerbsbeschränkung dar. Wenn die Auswahlkriterien in diesem Zusammenhang einen Vertrieb über Auktionsplattformen wie eBay ausschließen, handelt es sich bei diesem Ausschluss ebenfalls um ein objektives, an die Art und Weise des Vertriebs anknüpfendes Auswahlkriterium.

4. Macht ein Hersteller von Markenartikeln, der ein solches qualitativ-selektives Vertriebssystem eingerichtet hat, die Belieferung eines Wiederverkäufers von der Einhaltung eines Auswahlkriteriums abhängig, welches den Vertrieb über Internet-Auktionsplattformen generell ausschließt - unabhängig davon, welche der verschiedenen, von der Auktionsplattform angebotenen Vertriebsformen gewählt wird, so hat die auf Unterlassung dieses Verhaltens gerichtete Klage schon dann keinen Erfolg, wenn dem Markenhersteller bei der gebotenen umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen die konkrete, vom Wiederverkäufer gewählte Vertriebsform (hier: Einzelverkauf ohne übergeordnete Präsentationsstruktur) nicht zuzumuten ist.

 

Verfahrensgang

LG Mannheim (Urteil vom 14.03.2008; Aktenzeichen 7 O 263/07 Kart.)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Mannheim vom 14.3.2008 (Az. 7 O 263/07 Kart.) wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung kann gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin wendet sich gegen die Weigerung der Beklagten, sie mit Schulranzen und Schulrucksäcken zu beliefern.

Die Klägerin betreibt in W. ein Fachhandelsgeschäft, in dem sie neben Koffern, Taschen etc. von verschiedenen Herstellern auch Schulranzen und Schulrucksäcke anbietet. Diese Produkte vertreibt sie auch im Internet über die Internet-Auktionsplattform "eBay". Eine Auflistung ihrer Angebote, für die sie den eBay-Namen "n." verwendet, liegt als Anlage B 10 vor.

Die Beklagte ist Herstellerin von Schulranzen und Schulrucksäcken der Marken "Der echte Scout" (nachstehend "Scout") und "4YOU - the original" (nachstehend: "4YOU"). Der Vertrieb geschieht über sog. "zugelassene Vertriebspartner"; beliefert werden auch Versandhandelsunternehmen wie ... und ... Außerdem vertreibt die Beklagte die genannten Produkte über einen eigenen Internetshop. Für die "zugelassenen Vertriebspartner" hat die Beklagte im Mai 2007 neue "Auswahlkriterien" aufgestellt, die als Anlagen K 24 und B 2 vorliegen. Sie lauten auszugsweise:

"1. Der Vertriebspartner muss ein stationäres Einzelhandelsgeschäft betreiben, das nach Größe und Ausstattung dazu geeignet ist, dem Endverbraucher SCOUT- und 4YOU-Produkte in einer angemessenen Sortimentsbreite und -tiefe entsprechend dem hohen Image dieser Marken zu präsentieren. Der Vertriebspartner und das von ihm betriebene Einzelhandelsgeschäft, insbesondere auch das eingesetzte Verkaufspersonal, müssen dabei für die Produktgruppen Schulranzen und Rucksäcke kompetent sein und die Funktion eines Facheinzelhändlers für diese Produktgruppen erfüllen.

Der Vertriebspartner muss das Einzelhandelsgeschäft während der ortsüblichen Ladenöffnungszeiten geöffnet halten.

2. Der Vertriebspartner muss sein Verkaufspersonal für den Verkauf von SCOUT- und 4YOU-Produkten besonders schulen oder durch S. schulen lassen. S. unterstützt den Vertriebspartner dabei mit kost...

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