Entscheidungsstichwort (Thema)

Mithaftung des Ehegatten bei Ablösung eines (allein) vom anderen Ehegatten für den Kauf eines Kfz aufgenommenen Kredits

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ob der finanziell überforderte Ehegatte eine bloße Mithaftung übernimmt oder ein eigenes Interesse an der Kreditaufnahme hat und darum als echter Darlehensnehmer anzusehen ist, beurteilt sich zwar ausschließlich nach den für die finanzierende Bank erkennbaren Verhältnissen auf Seiten des mitverpflichteten Ehegatten. Falsche Angaben des Darlehensnehmers sind darum aber nicht geeignet, das objektiv fehlende Eigeninteresse seines Ehegatten zu ersetzen.

2. Wird das Darlehen zur Ablösung einer Kraftfahrzeugfinanzierung verwendet, an welcher der mitverpflichtete Ehegatte bis dahin nicht beteiligt war, so ergibt sich ein - die Annahme einer bloßen Mithaftung ausschließendes oder die Vermutung der Sittenwidrigkeit entkräftendes - Eigeninteresse des mitverpflichteten Ehegatten nicht schon daraus, dass das Fahrzeug weiterhin für die gemeinsamen Bedürfnisse der Familie genutzt werden soll (Abgrenzung zu BGH NJW-RR 2004, 924; Abweichung von OLG Köln OLGReport Köln 2004, 385 und OLG Koblenz WM 2005, 693).

 

Normenkette

BGB §§ 138, 488 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Urteil vom 15.11.2011; Aktenzeichen 5 O 435/10 T)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Konstanz vom 15.11.2011 - 5 O 435/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsrechtszugs.

3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die klagende Bank nimmt die Beklagte auf Rückzahlung eines gekündigten Verbraucherdarlehens in Anspruch.

Das LG, auf dessen Urteil gem. § 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO Bezug genommen wird, hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die von der Beklagten übernommene Verpflichtung sei nicht als Darlehensschuld, sondern als bloße Mithaftung für das von ihrem - mittlerweile geschiedenen - Ehemann aufgenommene Darlehen anzusehen und habe die Beklagte von Anfang an finanziell in krasser Weise überfordert, weshalb der ihr zugrunde liegende Vertrag sittenwidrig sei.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge in vollem Umfang weiter. Sie macht geltend, das LG sei zu Unrecht von einer bloßen Mithaftung ausgegangen. Es habe den Wortlaut des Darlehensvertrags nicht hinreichend berücksichtigt, zu Unrecht auf die mangelnden Sprachkenntnisse der Beklagten abgehoben und das eigene Interesse der Beklagten an der Kreditaufnahme verkannt. Soweit das Darlehen zur Ablösung eines Kredits verwendet wurde, den ihr Ehemann zur Finanzierung eines Pkw aufgenommen hatte, ergebe sich dieses Interesse aus dem unstreitigen Umstand, dass der Pkw für Bedürfnisse der Familie genutzt wurde. Der restliche Darlehensbetrag sei ihrem Girokonto gutgeschrieben worden. Dass er allein ihrem Ehemann zugutekommen sollte, sei für die Klägerin nicht erkennbar gewesen. Die Klägerin sei vielmehr von einem normalen Konsumentenkredit ausgegangen, der für den Kauf von Möbeln und die Zahlung einer Mietkaution verwendet werden sollte. Das sei aufgrund der entsprechenden Angaben des Ehemanns, die dieser bei seiner Zeugenvernehmung bestätigt habe, auch berechtigt gewesen. Die tatsächliche Verwendung des Darlehens sei deshalb unerheblich.

Die Klägerin beantragt:

Unter Abänderung des am 15.11.2011 verkündeten Urteils des LG Konstanz, Az.: 5 O 435/10 T, wird die Beklagte als Gesamtschuldnerin neben Herrn H. M. verurteilt, an die Klägerin 15.716,75 EUR nebst 5 % Zinsen p. a. über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank aus 12.398,52 EUR und 4 % p. a. Schadensersatz aus 3.093,92 EUR jeweils ab dem 16.12.2010 zu zahlen.

Die Beklagte stellt den Antrag, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Dabei hält sie insbesondere daran fest, dass sie auch deshalb nicht als Darlehensnehmerin zu qualifizieren sei, weil sie nicht gleichberechtigt über die Auszahlung und Verwendung des Darlehens habe mitentscheiden dürfen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im zweiten Rechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze und auf die Sitzungsniederschrift vom 11.10.2009 Bezug genommen.

II. Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das LG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.

Der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung des gekündigten Darlehens (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB) steht der Klägerin nicht zu, weil der auf ihr Verlangen geschlossene Vertrag mit der Beklagten nach den für die Mithaftung einkommens- und vermögensloser Angehöriger entwickelten Grundsätzen sittenwidrig und damit nichtig ist (§ 138 Abs. 1 BGB). Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (vgl. etwa NJW 2005, 971, 972) wird bei einer krassen finanziellen Überforderung des bürgenden oder anderweitig mithaftenden Ehegatten widerleglich vermutet, dass dieser die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allei...

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