Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage der Teilunwirksamkeit einer Darlehensrückzahlungsverpflichtung wegen Sittenwidrigkeit der Mithaftung eines nahen Angehörigen für Darlehensschulden des anderen Ehegatten bei krasser finanzieller Überforderung.

2. Ein Eigenintoresse des mithaftenden Ehegatten an einem gemeinsam mit dem anderen Ehegatten aufgenommen Darlehen kann auch dann fehlen, wenn es sich um einen Verbraucher- und nicht um einen Betriebsmittelkredit des anderen Ehegatten handelt.

3. Für eine krasse finanzielle Überforderung des mithaftenden Ehegatten ist es nicht erforderlich, dass der andere Ehegatte den Kredit zur Finanzierung seines Unternehmens verwendet und der Mithaftende einem Untemehmensrisiko ausgesetzt ist.

4. Auch ein Verbraucherdarlehen über knapp 13.000 EUR stellt einen "nicht ganz geringfügigen Bankkredit" dar.

5. Der Mithaftende ist nicht in der Lage (und deshalb krass überfordert), den auf die monatliche Darlehensrate von 415 EUR entfallenden Zinsanteil von 203 EUR aus dem über der Pfändungsfreigrenze liegenden Einkommen zu bestreiten, wenn bei einem monatlichen Nettoeinkommen von 1.000 EUR der (im Jahr 2002) pfändbare Betrag 49 EUR beträgt.

6. Zahlungen, die der Mithaftende bei nur teilweiser Unwirksamkeit der Darlehensrückzahlungsverpflichtung an den Darlehensgläubiger leistet, sind auf seine eigene (teilwirksame) Darlehensschuld anzurechnen. § 366 BGB findet insoweit keine Anwendung.

 

Normenkette

BGB §§ 138-139, 366-367, 488 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 31.03.2009; Aktenzeichen 10 O 3515/08)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 31.3.2009 abgeändert.

Das Versäumnisurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 22.7.2008 wird insoweit aufrecht erhatten, als die Beklagte verurteilt wurde, an die Klägerin 460,20 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.7.2007 zu zahlen. Im Übrigen wird das genannte Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 12.626,32 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Darlehensrückzahlungsanspruch geltend.

Am 28.6.2002 schlössen die Beklagte und deren damaliger Ehemann mit der Klägerin einen Darlehensvertrag über einen Nettokreditbetrag von 21.200 EUR sowie einen Restschuldversicherungsvertrag bei der "D über 21.200 EUR mit einem Beitrag von 670,30 EUR ab (Anl. K 1). Die Laufzeit des Darlehens betrug 72 Monate, der Zinssatz fest 11,5 %. Hinzu kamen Bearbeitungskosten i.H.v. 424 EUR, so dass sich ein effektiver Zinssatz von 12,72 % ergab. Die vereinbarte Zins- und Tilgungsrate betrug monatlich 414,86 EUR, zahlbar erstmals am 18.7.2002.

Ebenfalls am 28.6.2002 unterzeichneten die Beklagte und deren damaliger Ehemann einen Überweisungsauftrag (Anl. K 6), wonach der Kreditbetrag i.H.v. 670,30 EUR an die "D", i.H.v. 12.888,33 EUR auf das Konto Nr. 2 des damaligen Ehemanns der Beklagten zur Ablösung eines von diesem aufgenommenen Darlehens vom 15.10.2001 und i.H.v. 7.646,37 EUR auf das gemeinsame Konto Nr. 9 der Klägerin und ihres damaligen Ehemannes transferiert wurden. Von diesem letzten Teilbetrag wurden rund 6.000 EUR zur Ablösung einer eigenen Kreditverbindlichkeit der Beklagten verwendet.

Die Beklagte bezog im Zeitpunkt der Darlehenaufnahme gemäß der von ihr abgegebenen Selbstauskunft vom 28.6.2002 (Anl. K 7) ein Nettoeinkommen von 1.000 EUR.

Zunächst entrichtete der damalige Ehemann der Beklagten die monatlichen Raten. Nachdem sich die Eheleute getrennt hatten, zahlte die Beklagte allein ab dem Jahr 2004 die monatlichen Raten weiter, zunächst in voller, ab 18.9.2004 in reduzierter Höhe, so dass bis zur Einstellung der Zahlungen Ende des Jahres 2006 insgesamt 9.991,58 EUR von der Beklagten geleistet wurden. Da weitere Zahlungen trotz entsprechenden Zahlungsaufforderungen ausblieben, kündigte die Klägerin den Darlehensvertrag mit Schreiben vom 2.7.2007 (Anl. K 2) mit Wirkung zum 16.7.2002 und forderte die Beklagte auf, die ausstehende Restschuld von 12.626,32 EUR zu begleichen.

Die Klägerin beruft sich darauf, dass die Beklagte als Mitdariehensnehmerin zur Rückzahlung des Darlehens und der angefallenen Zinsen verpflichtet sei. Demgegenüber ist die Beklagte der Ansicht, der Klägerin stehe kein Anspruch gegen sie zu, da der Darlehensvertrag sittenwidrig sei. Die Klägerin habe eine Zwangslage ausgenutzt, indem sie von der Beklagten als Ehefrau des bisherigen Darlehensschuldners den Abschluss eines neuen Kreditvertrages verlangt habe, wobei zum überwiegenden Teil bereits aus der Zeit vor der Eheschließung vorhandene Schulden des Ehemannes umgeschuldet worden seien. Sie sei durch den Darlehensvertrag finanziell krass überfordert worden, was der Klägerin bekannt gewesen sei.

Mit Versäumnisurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 22.7.2008 ist die Beklagte zur Zahlung von 12.626,32 EUR neb...

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