Leitsatz (amtlich)

Im Deckungsprozess einer Haftpflichtversicherung kann nicht die Feststellung begehrt werden, dass der Haftpflichtversicherer die vom Versicherten verursachten Schäden zu tragen habe.

Im Deckungsprozess einer Haftpflichtversicherung kann der Versicherer nicht einwenden, der Versicherte hafte dem Geschädigten wegen eines gesetzlichen Haftungsausschlusses nicht.

Der gem. § 4 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AHB, 152 haftungsausschließende Vorsatz bei der Herbeiführung des Versicherungsfalls muss nicht nur die haftungsbegründende Verletzungshandlung, sondern auch die Verletzungsfolgen umfassen.

 

Normenkette

VVG §§ 149, 152, 156; AHB §§ 1, 4 Ziff. II Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 01.12.2004; Aktenzeichen 10 O 484/04)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird unter deren Zurückweisung im Übrigen das Urteil des LG Karlsruhe vom 1.12.2004 - 10 O 484/04 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag dem mitversicherten Sohn des Klägers Ch. Deckungsschutz für das Schadensereignis vom 14.10.2003 Deckungsschutz zu gewähren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte 80 % und der Kläger 60 % mit Ausnahme der vom Kläger zu tragenden Mehrkosten, die durch die Anrufung des unzuständigen LG Chemnitz entstanden sind.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 9.125 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die zulässige Berufung hat nur teilweise Erfolg.

I. Der Kläger verlangt von der Beklagten Leistung aus einer Familienprivathaftpflichtversicherung. Der Sohn des Klägers hatte am 14.10.2003 als Berufsschüler aus dem Rucksack eines Mitschülers eine Flasche Reizgasspray gezogen und den Inhalt ziellos im Unterrichtsraum versprüht. Die Lehrerin atmete das Gas ein. Als Asthmatikerin litt sie kurz darauf unter Atemnot. Es entwickelte sich eine Lungenentzündung, die zu einer mehrmonatigen Arbeitsunfähigkeit der Lehrerin führte. Der Sohn des Klägers wird wegen des Vorfalls vom Freistaat Sachsen auf Schadensersatz hinsichtlich der gewährten Lohnfortzahlung in Anspruch genommen. Außerdem rechnet der Kläger mit einer Schadensersatz- und Schmerzensgeldklage der Lehrerin.

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Das LG Karlsruhe hat auf Antrag des Klägers festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Schäden zu tragen, die der Sohn des Klägers am 14.10.2003 durch das Versprühen von Reizgas in der Berufsschule Chemnitz verursacht hat.

Das LG war der Auffassung, dass der Sohn des Klägers den Schaden lediglich fahrlässig verursacht habe. Die Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass er gewusst habe, dass in der Sprühdose Reizgas sei. Unstreitig sei der Sohn des Klägers in der vorangegangenen Stunde von seinem Mitschüler mit einem Deo besprüht worden. Da der Klassenraum zum Tatzeitpunkt abgedunkelt gewesen sei, könne die Einlassung des Klägers nicht widerlegt werden, dass sein Sohn davon ausgegangen sei, dass es sich bei der aus dem Rucksack gezogenen Dose um das betreffende Deo gehandelt habe. Außerdem habe die Beklagte nicht nachgewiesen, dass der Sohn des Klägers auch den konkreten Schaden seiner Lehrerin vorsätzlich herbeigeführt habe.

Mit ihrer Berufung will die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen. Der Feststellungsantrag sei nicht zulässig, da wegen der bereits eingereichten Klage des Freistaates Sachsen ein bezifferter Leistungsantrag gestellt werden könne. Es sei abwegig, dass der Sohn des Klägers als professioneller Body-Guard das Reizgasspray nicht erkannt haben will. Eine Verwechslung mit einem Deo-Spray sei schon wegen der Form der Dose und der Art des Verschlusses ausgeschlossen. Im Übrigen müsse der Sohn des Klägers bei fahrlässiger Begehungsweise nicht haften, da dann der Haftungsausschluss nach §§ 104 ff. SGB VII zu seinen Gunsten eingreifen würde. Mithin scheide eine Leistungspflicht der Beklagten von vorneherein aus.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des LG Karlsruhe vom 1.12.2004 wird abgeändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger begehrt Zurückweisung der Berufung unter Beibehaltung seines erstinstanzlichen Klageantrags und beantragt hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, für das Schadensereignis vom 14.10.2003 Deckungsschutz zu gewähren und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

II.A. Das LG hat dem erstinstanzlichen Klageantrag, der auch nach Hinweis des Senats als Hauptantrag weiter verfolgt wird, zu Unrecht stattgegeben.

Eine Verpflichtung der Beklagten, ohne Rücksicht auf eine Haftung des Versicherten die vom Sohn des Klägers am 14.3.2003 "verursachten Schäden zu tragen", kann dem Versicherungsvertrag zwischen den Parteien nicht entnommen werden. Im Haftpflichtversicherungs...

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