Leitsatz (amtlich)

1. Eine Aufklärung über die Möglichkeit einer sectio als Alternative zu einer vaginalen Geburt bevor ein konkreter Anlass (hier: Verdacht auf ein makrosomes Kind) dazu besteht, ist unzureichend, da ein Aufklärungsgespräch vor diesem Zeitpunkt weitgehend theoretisch bleibt.

2. Bei einer inkompletten Lähmung des rechten Arms mit Schwächen beim Heben und Außendrehen und einer nicht wesentlichen Veränderung des Arms ggü. dem gesunden linken Arm mit einer geringgradigen Reduktion der Kraft ist ein Schmerzensgeld in der Größenordnung von 25.000 Euro angemessen.

3. Bei der Bestimmung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs ist vom Stundensatz einer entgeltlich eingesetzten vergleichbaren Hilfkraft auszugehen. Die Höhe des Stundensatzes bestimmt sich nach der konkret vorzunehmenden Tätigkeit, so dass für Hilfstätigkeiten, die kein spezielles Fachwissen erfordern, ein Stundensatz von 7,20 Euro in Anlehnung an BAT VII zugrunde gelegt werden kann.

4. Die Verurteilung zur Zahlung einer zukünftigen Mehrbedarfsrente setzt voraus, dass sich die für die Bemessung maßgeblichen Verhältnisse mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festlegen lassen und damit eine konkrete Bezifferung möglich ist.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1, §§ 843, 847

 

Verfahrensgang

LG Mosbach (Urteil vom 03.12.2002; Aktenzeichen 1 O 53/01)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Mosbach v. 3.12.2002 - 1 O 53/01 - unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt geändert:

1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger zu 1) 25.000 Euro nebst 4 % Zinsen hieraus seit 16.12.1999 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger zu 1) allen künftigen immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm durch die bei seiner Geburt am 9.9.1998 verursachten Plexusparese entstehen wird.

3. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger Ziff. 1 15.218,60 Euro zu zahlen nebst 4 % Zinsen aus 6.204,62 Euro seit 16.12.1999 und aus weiteren 9.013,98 Euro seit 5.4.2001.

4. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger zu 1) weitere 20.838,40 Euro zu zahlen nebst 4 % Zinsen aus jeweils 452 Euro seit 1.4.2001 und jedem folgenden Monatsersten bis 1.11.2004.

5. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger zu 1) allen künftigen materiellen Schaden zu ersetzen, der ihm durch die bei seiner Geburt am 9.9.1998 verursachte Plexusparese entstehen wird, soweit die Ansprüche nicht bereits auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

6. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.

III. Für die Kosten des ersten Rechtszuges gilt:

Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 38 % der Kläger zu 1) 57 % und die Klägerin zu 2) 5 %. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1) tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 40 % und der Kläger zu 1) 60 %. Die Klägerin zu 2) trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Für die Kosten des Berufungsrechtszugs gilt:

Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 51 %, der Kläger zu 1) 43 % und die Klägerin zu 2) 6 %. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1) tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 55 % und der Kläger zu 1) 45 %. Die Klägerin zu 2) trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger zu 1) und seine Mutter, die Klägerin zu 2), nehmen die Beklagte zu 1) als Trägerin des Städtischen Krankenhauses W. und die Beklagte zu 2) als behandelnde Ärztin auf Schadensersatz wegen ärztlicher Behandlungsfehler und unzureichender Aufklärung im Zusammenhang mit der Geburt des Klägers zu 1) am 9.9.1998 in Anspruch.

Im ersten Rechtszug haben die Kläger beantragt:

1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger zu 1) ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 100.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16.12.1999 zu zahlen.

2. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger zu 1) allen weiteren, derzeit nicht absehbaren immateriellen Folgeschaden zu ersetzen, der ihm durch die fehlerhafte Geburtsbetreuung am 9.9.1998 entstanden ist und noch entstehen wird.

3. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, dem Kläger zu 1) den im Zeitraum von September 1998 bis März 2001 entstandenen personellen und materiellen behinderungsbedingten Mehraufwand i.H.v. 105.000 DM nebst 4...

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