Leitsatz (amtlich)

1. Zur Aufklärungspflicht über Risiken bei Brustimplantaten.

2. Die Beschränkung des Versicherungsschutzes nach französischem Recht auf in Frankreich eingetretene Versicherungsfälle ist europarechtlich nicht zu beanstanden.

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 25.11.2014; Aktenzeichen 2 O 25/15)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Karlsruhe vom 25.11.2014, Az. 2 O 25/12, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des LG Karlsruhe ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten im Zusammenhang mit der Implantation von Brustimplantaten des französischen Herstellers P. geltend. Die Klägerin hat sich am 23.4.2007 in Karlsruhe von dem Beklagten zu 1, einem Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie, Brustimplantate des Herstellers P. beidseits einsetzen lassen. Im Laufe des Rechtsstreits hat sie diese auf entsprechende Warnungen vor darin enthaltenem minderwertigem und nicht zugelassenem Silikon austauschen lassen. Soweit im Berufungsrechtszug noch von Interesse, nimmt sie den behandelnden Schönheitschirurgen (Beklagter zu 1) und den Versicherer des Herstellers (Beklagte zu 4) deshalb auf Schmerzensgeld und Schadensersatz in Anspruch. Den Rechtsstreit gegen den Beklagten zu 2) hat der Senat mit Beschluss vom 28.4.2015 (II 199) ausgesetzt. Mit weiterem Beschluss vom 10.3.2016 (II 363) hat der Senat das gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Verfahren abgetrennt.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt - nach Verzicht auf die Klage gegen die Beklagten Ziffer 3 und 5 - beantragt:

1. Die Beklagten Ziffer 1, 2 und 4 werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu bezahlen, welches in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten 1, 2 und 4 gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche weiteren, materiellen und im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zu ersetzen, welche dieser anlässlich der Implantation von Brustimplantaten aus dem Hause der Fa. P. (P.) entstanden sind und noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Das LG, auf dessen Urteil nach § 540 ZPO verwiesen wird, hat die Klage abgewiesen. Ansprüche gegen den Beklagten zu 1 seien nicht gegeben, weil dieser seine ärztliche Aufklärungspflicht nicht verletzt habe. Ansprüche gegen die Beklagte zu 4 kämen ebenfalls nicht in Betracht. Zwar sehe das hier anwendbare französische Recht einen Direktanspruch ("action directe") gegen den Versicherer des Ersatzpflichtigen vor. Ein solcher Direktanspruch sei aber nicht gegeben, weil der Versicherungsvertrag zwischen P. und der Beklagten zu 4 nur Schadensfälle in Frankreich abdecke. In dieser Beschränkung liege weder eine unzulässige Diskriminierung, noch eine Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit.

Mit ihrer gegen die Abweisung der Klage gegen die Beklagten zu 1, 2 und 4 gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihre auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgelds und Feststellung gerichteten Klageanträge in vollem Umfang weiter. Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil. Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im zweiten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 10.3.2016 (II 359f) verwiesen. Der Senat hat die Klägerin und den Beklagten zu 1 persönlich angehört und den Sachverständigen Dr. D. ergänzend vernommen. Wegen des Ergebnisses des Beweisaufnahme wird ebenfalls auf die Sitzungsniederschrift vom 10.3.2016 (II 359f) Bezug genommen.

II. Der zulässigen Berufung gegen die Beklagten zu 1 und 4 bleibt der Erfolg versagt. Über die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Berufung ist nach Abtrennung in einem gesonderten Verfahren zu entscheiden.

1. Zu Recht hat das LG eine Haftung des Beklagten zu 1 für den wegen eines Produktfehlers erforderlichen Austausch des P.-Implantats verneint.

a) Die Verwendung des P.-Implantats war im Jahr 2007 nicht behandlungsfehlerhaft, weil zu dieser Zeit, wie das LG von der Berufung nicht angegriffen festgestellt hat, dem Beklagten zu 1 keine Anhaltspunkte dafür bekannt waren oder bekannt sein mussten, dass Implantate dieses Herstellers Qualitätsmängel aufwiesen oder nicht zulassungsfähig w...

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