Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Prozessstandschaft in der Rechtsschutzversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Kompositversicherer ist für die Deckungsklage in der Rechtsschutzversicherung nicht passiv legitimiert, wenn er ein selbständiges Schadensabwicklungsunternehmen für diesen Bereich beauftragt hat.

2. Für den Eintritt der gesetzlichen Prozessstandschaft gemäß § 126 Abs. 2 VVG kommt es nicht darauf an, ob Voraussetzungen und Wirkungen der Prozessstandschaft in den Versicherungsbedingungen zutreffend beschrieben sind.

 

Normenkette

VVG § 126 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Offenburg (Urteil vom 30.11.2015; Aktenzeichen 2 O 206/15)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Offenburg vom 30.11.2015 - 2 O 206/15 - aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt Deckungsschutz aus einer Rechtsschutzversicherung.

Im April 2013 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Versicherungsvertrag ab. Die Beklagte gewährte Versicherungsschutz u.a. für die Bereiche Rechtsschutz, Hausrat- und Glasbruch-Schutz (vgl. den Versicherungsschein, Anlage K 1 und die Versicherungsbedingungen in der Anlage B 2). Der Versicherungsschein enthält u.a. folgenden Hinweis:

"Leistungsträger ist die A. Allgemeine Versicherungs-AG (die Beklagte), für den Rechtsschutz ist Leistungsträger die A. SE, beide 40464 Düsseldorf."

Die Beklagte hatte unstreitig mit der Leistungsbearbeitung für den Bereich der Rechtsschutzversicherung die zum A.-Konzern gehörende A. SE beauftragt. Die A. SE (eine Europäische Aktiengesellschaft) war im Jahr 2011 durch Umwandlung der bis dahin existierenden A. R.-AG entstanden.

Der Kläger ließ im Jahr 2013 auf seinem Hausgrundstück, welches sich in einer Hanglage befindet, eine Stützmauer errichten. Die Stützmauer gab nach, so dass Teile des Hanges auf das Nachbargrundstück rutschten. Der Nachbar machte Schadensersatzansprüche gegen den Kläger geltend. Der Kläger informierte seine Haftpflichtversicherung, die - nicht zum Konzern der Beklagten gehörende - B. Versicherung AG. Diese lehnte mit E-Mail vom 27.04.2015 Deckungsschutz für Schadensersatzansprüche des Nachbarn ab.

Mit vorgerichtlichem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 12.05.2015 wandte sich der Kläger daraufhin an die "A. R.-AG", die Rechtsvorgängerin der A. SE. Der Kläger bat um Deckungsschutz im Rahmen der Rechtsschutzversicherung für eine Klage gegen den Haftpflichtversicherer, die B. Versicherung AG. Das Schreiben des Klägervertreters wurde von der A. SE beantwortet, die am 21.05.2015 (Anlage K 4) Leistungen aus der Rechtsschutzversicherung ablehnte.

Der Kläger erhob daraufhin Klage gegen die Beklagte. Er begehrte die Feststellung, dass die Beklagte Leistungen aus der Rechtsschutzversicherung für die beabsichtigte Klage gegen den Haftpflichtversicherer zu gewähren habe; außerdem verlangte der Beklagte die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten. Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie sei nicht passiv legitimiert; denn ausweislich der Versicherungsbedingungen sei zwischen den Parteien vereinbart, dass der Kläger eine eventuelle Klage wegen Leistungen aus der Rechtsschutzversicherung nicht gegen die Beklagte, sondern gegen die zum selben Konzern gehörende A. SE erheben müsse. Außerdem sei nach den Versicherungsbedingungen kein Rechtsschutz zu gewähren. Denn in dem fraglichen Schadensfall greife für eine Klage gegen den Haftpflichtversicherer die so genannte Baurisiko-Klausel ein (§ 3 Ziffer 1.4.1, 1.42 und 1.43 der Versicherungsbedingungen).

Mit Urteil vom 30.11.2015 hat das LG antragsgemäß festgestellt, dass die Beklagte auf Grund des zwischen den Parteien geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrages für den ihr gemeldeten Schadensfall Rechtschutz zu gewähren habe. Außerdem hat das LG die Beklagte zur Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 958,19 EUR nebst Zinsen verurteilt. Die Beklagte sei passiv legitimiert. Denn der Kläger habe den Versicherungsvertrag - auch hinsichtlich der Rechtsschutzversicherung - mit dieser abgeschlossen. Dass eine Klage (nur) gegen die A. SE erhoben werden könne, sei den Versicherungsbedingungen nicht eindeutig zu entnehmen. Im Übrigen wäre eine solche Regelung überraschend und würde daher gegen § 305c Abs. 1 BGB verstoßen. Die Beklagte habe Deckungsschutz zu gewähren, weil die Voraussetzungen der so genannten Baurisiko-Klausel nicht gegeben seien.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie wendet in der Berufungsbegründung ihres Prozessbevollmächtigten ein, die A. Allgemeine Versicherungs-AG (so die Bezeichnung der Beklagten in der Klageschrift und im Urteil des LG) sei schon 2011 in die A. SE umgewandelt worden. Außerdem habe das LG zu Unrecht die Voraussetzungen der Ausschlussklausel für Baurisiken verneint.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des LG Offenburg vom 30.11.2015 - 2 O 206/15 -, ...

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