Leitsatz (amtlich)

1. Bei einem Verkehrsunfall (nachts auf einer unbeleuchteten Landstraße) zwischen einem Pkw und mehreren Kühen, die aus einer umzäunten Weide ausgebrochen sind, ist die Tiergefahr in der Regel höher zu bewerten als die (einfache) Betriebsgefahr des Pkw. (Hier: Haftung des Tierhalters zu 75 %.)

2. Eine (nachgewiesene) Überschreitung der Sichtgeschwindigkeit kann sich auf die Haftungsquote nicht auswirken, wenn nicht feststeht, ob die Schäden (hier: schwere Verletzungen) des Pkw-Fahrers bei Einhalten der Sichtgeschwindigkeit geringer gewesen wären.

3. Ein mangelhafter Weidezaun hat keine Auswirkungen auf die Haftungsquote des Tierhalters, wenn offen bleibt, ob die Kühe auch bei einem ordnungsgemäßen Zaun ausgebrochen wären, beispielsweise bei einer Panikreaktion im Gewitter.

 

Verfahrensgang

LG Waldshut-Tiengen (Urteil vom 15.10.2007; Aktenzeichen 1 O 138/06)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des LG Waldshut-Tiengen vom 15.10.2007 - 1 O 138/06 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.050 EUR zu zahlen nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 13.7.2006.

2. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 217,44 EUR freizustellen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Verfahrens werden in beiden Instanzen gegeneinander aufgehoben.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des LG W. vom 15.10.2007 verwiesen.

Das LG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Der Beklagte hafte für den Schaden des Klägers aus dem Verkehrsunfall vom 16.4.2005 mit einer Quote von 50 %. Bei einem unstreitigen Verdienstausfall in der Zeit vom 1.5.2005 bis zum 30.4.2006 i.H.v. 16.200 EUR ergebe sich daher ein Anspruch des Klägers i.H.v. 8.100 EUR nebst Zinsen. Der Beklagte habe den Kläger auch von den geltend gemachten Rechtsanwaltskosten i.H.v. 350,15 EUR freizustellen, insoweit jedoch ohne Zinsen. Die Widerklage sei hingegen nicht begründet. Zwar seien der Kläger und die Widerbeklagte Ziff. 2 dem Grunde nach verpflichtet, 50 % des Schadens zu ersetzen, den der Beklagte durch den Unfall, insbesondere durch die Verletzungen der Kühe, erlitten habe. Der Beklagte habe jedoch nicht nachgewiesen, dass die geltend gemachten Schadenspositionen tatsächlich entstanden seien, bzw., dass die von ihm angeführten Vermögenseinbußen durch den Unfall verursacht wurden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Beklagten. Er beanstandet, dass das LG bei der Zuerkennung der Klageforderung nicht berücksichtigt habe, dass der Beklagte (bzw. seine Haftpflichtversicherung) außergerichtlich bereits 50 % des geltend gemachten Verdienstausfallschadens reguliert habe. Die vom LG angenommene Haftungsquote von 50 % beanstandet der Beklagte nicht. Wegen der vorgerichtlichen Zahlung stehe dem Kläger jedoch der mit der Klage geltend gemachte weitergehende Anspruch nicht zu.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des LG W vom 15.10.2007 - Az. 1 O 138/06 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das Urteil des LG. Zwar sei die Urteilsbegründung, soweit es um die Klage gehe, rechnerisch unzutreffend. Der Beklagte hafte ggü. dem Kläger für den Schaden aus dem Verkehrsunfall vom 16.4.2005 - entgegen der Auffassung des LG - jedoch zu 100 %. Daher sei der Beklagte verpflichtet - über die bereits vorgerichtlich erfolgte Zahlung hinaus, auch den mit der Klage geltend gemachten weiteren Verdienstausfallschaden zu ersetzen.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze der Parteien verwiesen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch ein ergänzendes mündliches Gutachten des Sachverständigen L. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 26.2.2009 verwiesen.

Der Beklagte hat im Berufungsverfahren zunächst auch an seinem Widerklageantrag gegen den Kläger und die Widerbeklagte Ziff. 2 festgehalten. Im Senatstermin vom 26.2.209 haben sich die Parteien über den Gegenstand der Widerklage in der Hauptsache (ohne Kostenregelung) verglichen. Insoweit wird auf das Protokoll vom 26.2.2009 verwiesen.

I. Die Berufung des Beklagten hat teilweise Erfolg. Dem Kläger steht - über die bereits vom Beklagten geleistete Zahlung hinaus - für die Zeit vom 1.5.2005 bis 30.4.2006 ein restlicher Verdienstausfallschaden i.H.v. lediglich 4.050 EUR zu.

1. Der Kläger hat wegen des geltend gemachten Verdienstausfalls einen restlichen Zahlungsanspruch gegen den Beklagten i.H.v. 4.050 EUR. Einerseits haftet der Beklagte für den Schaden des Klägers nicht nur - wie vom LG angenommen - zu 50 %, sondern mit einer Quote von 75 %. Andererseits ist bei der Klageforderung jedoch die vorgerichtliche Teilzahlung des Beklagten zu berü...

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