Entscheidungsstichwort (Thema)

Verweisung auf Vergleichsberuf

 

Leitsatz (amtlich)

Ein selbständiger Elektromeister mit Realschulabschluss muss sich nicht auf den Beruf eines Projektleiters "Elektrotechnik" verweisen lassen.

 

Normenkette

BUZ § 1 Nr. 1, § 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Freiburg i. Br. (Urteil vom 03.08.2007; Aktenzeichen 14 O 243/04)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Freiburg vom 3.8.2007 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des LG Freiburg vom 3.8.2007 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Das LG hat der Klage weit überwiegend stattgegeben. Hinsichtlich der rechtlichen Begründung wird auf das Urteil des LG Bezug genommen. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt.

Sie rügt, dass der Kläger nicht ausreichend nachgewiesen habe, in seinem bisherigen Beruf nur noch eine Beschäftigungsmöglichkeit im Umfang von weniger als 50 % der bisherigen Tätigkeit zu haben. Vielmehr sei es möglich, die Rechnungserstellung auf eine Hilfskraft zu übertragen und den Telefondienst persönlich zu übernehmen. Beides ergäbe eine Entlastung des Klägers und ein ausreichendes Tätigkeitsfeld.

Außerdem bestehe für den Kläger ein Vergleichsberuf, auf den ihn die Beklagte verweisen könne (§ 2 BUZB). Die Tätigkeit als Projektleiter sei dem Kläger nach seinen beruflichen Fähigkeiten möglich. Auch einem Selbständigen sei es zumutbar, eine unselbständige Vergleichstätigkeit anzunehmen. Eine umfassende Würdigung im Streitfall führe dazu, dass dem Kläger eine Tätigkeit als Projektleiter einer großen Firma zumutbar sei. Dieser sei in einer leitenden Stellung tätig, so dass im Vergleich mit einem Handwerksmeister eines kleinen oder allenfalls mittelgroßen Betriebes kein sozialer Abstieg vorliege. Der Versicherungsagent P. habe dem Kläger zu keinem Zeitpunkt zugesichert, dass er aufgrund der Berufsunfähigkeitsversicherung "Berufsschutz" in seinem konkret ausgeübten Beruf genieße.

Der von ihr erklärte Rücktritt sei jedenfalls hinsichtlich der Rentenversicherungsverträge mit den Endnummern -16, -18 und -19 wirksam. Der Kläger habe die entsprechenden Anträge vor dem Ausfüllen blanko unterschrieben und die Beantwortung der Versicherungsfragen dem Agenten überlassen. Dann treffe das Risiko einer Falschbeantwortung aber allein den Versicherungsnehmer.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des LG Freiburg vom 3.8.2007 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er bestreitet, dass ihm eine weitere Umorganisation seines Betriebs möglich sei. Eine Übernahme reiner Aushilfstätigkeiten wie Telefondienste sei ihm nicht zuzumuten. Im Übrigen habe der Kläger nicht nur einen Arbeitstag von 10,85 Stunden, sondern einen solchen von 12 Stunden plausibel dargelegt. Hierbei sei die Beschäftigung einer Aushilfskraft für Telefondienste sinnvoll, weil sonst das Geschäft bei Abwesenheit des Klägers verlassen sei und Telefonanrufe nicht beantwortet würden.

Der Kläger müsse sich nicht auf eine Tätigkeit als Projektleiter im Bereich Elektrotechnik verweisen lassen. Diese Tätigkeit biete keinerlei Vorteile, die den Verlust der selbständigen Stellung aufwiegen könnten, sei mit einem sozialen Abstieg verbunden und sei dem Kläger daher nicht zuzumuten. Im Übrigen sei der Kläger weder nach seinen Fähigkeiten noch gesundheitlich in der Lage, die Tätigkeit eines Projektleiters auszuüben. Schließlich könne die Beklagte ihn auch deswegen nicht auf eine andere Tätigkeit verweisen, weil der Versicherungsagent P. dem Kläger beim Versicherungsgespräch zugesichert habe, dass dieser Berufsschutz genieße und somit nicht auf eine Tätigkeit im Angestelltenverhältnis verwiesen werden könne.

Der Senat hat ein schriftliches Sachverständigengutachten hinsichtlich des Verweisungsberufs eingeholt und den Sachverständigen P.N.E.v.S. mündlich angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sachverständigengutachten vom 22.9.2008 und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 4.12.2008 Bezug genommen.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.

1. Der Kläger hat Anspruch auf die versprochenen Leistungen der Beklagten, weil er berufsunfähig ist (§ 1 Nr. 1 BUZ, § 2 Nr. 1 BUZ, Anlage B 1).

Das LG hat zutreffend angenommen, dass der Kläger in seinem bisherigen Beruf zu mehr als 50 % berufsunfähig ist. Entscheidend ist, ob der Versicherte prägende, wesentliche Einzelverrichtungen seiner Tätigkeit nicht mehr ausüben kann (Prölss/Voit/Knappmann, VVG 27. Aufl., § 2 BUZ Rz. 15). Die...

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