Leitsatz (amtlich)

Der objektive Tatbestand der Verletzung einer Aufklärungsobliegenheit setzt voraus, dass der Versicherungsnehmer die Tatsachen kennt, zu denen er Angaben machen soll. Das ist aber schon anzunehmen, wenn Angaben bewusst und für den Versicherer nicht erkennbar ins Blaue hinein gemacht und so Falschangaben billigend in Kauf genommen werden.

 

Normenkette

VVG § 6; AKB § 7

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 20.12.2006; Aktenzeichen 5 O 125/05)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 20.12.2006 - 5 O 125/05 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtstreits.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.

I. Die Klägerin begehrt Leistungen aus einer Fahrzeugvollversicherung wegen eines Unfallschadens vom 28.12.2004. Am Unfalltag kam ihr Pkw Mercedes-Benz, E 270 bei der Auffahrt auf die A 61 in Richtung Ludwigshafen von der Fahrspur ab und prallte gegen die Leitplanke. Die Beklagte verweigerte die geltend gemachte Kaskoentschädigung, weil die Klägerin den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt habe, da sie mit teilweise profillosen Reifen unterwegs gewesen sei. Sie hat sich ferner für leistungsfrei gehalten, weil die Klägerin eine Gefahrerhöhung vorgenommen habe. Zudem habe die Klägerin sich unerlaubt vom Unfallort entfernt, weshalb Leistungsfreiheit wegen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit eingetreten sei. Das LG hat der auf Zahlung von 7.111,10 EUR nebst Zinsen gerichteten Klage in vollem Umfang statt gegeben. Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzliches Begehren auf Klagabweisung weiter. Nachdem die Klägerin im Berufungsrechtszug weiteren Vortrag zur Verwendung ihres Fahrzeugs gehalten hat, beruft sich die Beklagte nunmehr auch auf Leistungsfreiheit wegen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit wegen falscher Angaben in der Schadensanzeige.

II. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Kaskoentschädigung zu, da die Leistungspflicht der Beklagten wegen einer Obliegenheitsverletzung in Wegfall geraten ist.

Das LG hat allerdings zu Recht entschieden, dass die Beklagte nicht wegen Verletzung einer Obliegenheitsverletzung der Klägerin, begangen durch eine Unfallflucht, nach §§ 7 I (2), 6 Abs. 3 VVG leistungsfrei ist und dass keine Leistungsfreiheit wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls nach § 61 VVG bzw. wegen einer Gefahrerhöhung nach §§ 23, 25 VVG besteht.

Die Beklagte ist allerdings gem. §§ 6 Abs. 3 VVG, 7 I (2) und 7 VI (2) AKB wegen vorsätzlicher Verletzung der Aufklärungsobliegenheit leistungsfrei geworden. Die Klägerin hat in dem von ihr ausgefüllten und unterzeichneten Formular zur Schadensanzeige die Fragen nach ihrer Berechtigung zum Vorsteuerabzug und nach der Zugehörigkeit des Fahrzeugs zum Betriebsvermögen verneint. Unstreitig sind beide Angaben falsch. Der objektive Tatbestand der Verletzung einer Aufklärungsobliegenheit setzt allerdings voraus, dass der Versicherungsnehmer die Tatsachen kennt, zu denen er Angaben machen soll. Auch insoweit trifft den Versicherer die Darlegungs- und Beweislast (BGH VersR 1969, 694). Dieser ist allerdings hier schon dadurch genügt, dass die Klägerin erklärt hat, sie habe die Fragen nicht verstanden, sie aber gleichwohl mit einer Antwort versehen. Damit hat sie die Angaben - schon nach ihrer Darstellung - bewusst und für den Versicherer nicht erkennbar ins Blaue hinein gemacht und Falschangaben billigend in Kauf genommen (vgl. auch BGHZ 87, 112 unter I 1 m.w.N.; Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., §§ 16,17 Rz. 30).

Für die Entscheidung ist ferner davon auszugehen, dass die Klägerin diese falschen Angaben vorsätzlich gemacht hat. Steht - wie hier - der objektive Tatbestand einer nach Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllenden Obliegenheit fest, so muss der Versicherungsnehmer den Beweis dafür erbringen, dass er nicht vorsätzlich gehandelt hat (BGH VersR 1999, 1004), denn der Vorsatz wird gesetzlich vermutet (BGH VersR 2002, 173; Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 6 Rz. 121). Der Klägerin ist es nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen. Bei ihrer Anhörung im Senatstermin hat sie angegeben, das Fahrzeug sei steuerlich von Anfang an als Geschäftsfahrzeug ihres Einzelhandelsgeschäfts behandelt worden. Auch die Sonderbehandlung wegen einer teilweisen privaten Nutzung war ihr bekannt. Ihre Vorsteuerabzugsberechtigung war ihr ebenfalls geläufig. Es liegen somit nicht einmal ansatzweise Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin hier nicht vorsätzlich gehandelt hat. Der nicht nachgelassene Schriftsatz vom 26.9.2007 gibt keinen Anlass zu Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Die dort behauptete Unerfahrenheit der Klägerin in geschäftlichen Angelegenheiten hat sich dem Senat auf Grund des persönlichen Eindrucks gerade nicht ersch...

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