Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungskondiktion des Zahlenden gegen Zahlungsempfänger

 

Leitsatz (amtlich)

1. Unter einer Leistung im Rechtssinne ist eine bewusste und zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens zu verstehen. Die bloße Zweckbestimmung allein begründet keine Leistungsbeziehung; als Leistender kommt vielmehr nur in Betracht, wer die Zuwendung entweder selbst oder mit Hilfe eines Dritten (Leistung kraft Anweisung) bewirkt.

2. Der sog. Empfängerhorizont des Zahlungsempfängers vermag weder die fehlende Tilgungs- und Zweckbestimmung des vermeintlich Anweisenden im Valutaverhältnis (vgl. BGH v. 20.3.2001 – XI ZR 157/00, BGHZ 147, 145 = MDR 2001, 703 = BGHReport 2001, 467; BGHZ 152, 73) noch eine Leistung kraft Anweisung des Zuwendenden ggü. dem vermeintlich Anweisenden herbeizuführen.

3. Die bereicherungsrechtliche Lehre vom Empfängerhorizont verfehlt die allgemeine Auslegungsregel der §§ 133, 157 BGB, soweit sie Umstände und Sonderwissen aus der Perspektive des Zuwendungsempfängers für maßgeblich hält, die dem Erklärenden unerkennbar sind und ihm auch nicht zugerechnet werden können.

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 25.06.2003; Aktenzeichen 5 O 215/02)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 21.10.2004; Aktenzeichen III ZR 38/04)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Karlsruhe vom 25.6.2003 – 5 O 215/02 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsrechtszuges fallen der Beklagten zur Last.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 12.000 Euro abwenden, wenn nicht diese vor Vollstreckung Sicherheit in der gleichen Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

A. Der – inzwischen wegen Betrugs in Tateinheit mit Untreue in 104 Fällen verurteilte – Zeuge K. war bis Februar 2002 beim Kreiswehrersatzamt in K. als sog. Kostenfestsetzer für Auszahlungsanordnungen der Bundeskasse nach dem Soldatenversorgungsgesetz zuständig. In dieser Eigenschaft bewirkte er im Zeitraum von 1998 bis Anfang 2002 Überweisungen über insgesamt 2,35 Mio. DM an Verwandte und Bekannte, denen Ansprüche ggü. der Klägerin nicht zustanden. Die von der Klägerin auf Rückzahlung in Anspruch genommene Beklagte erhielt durch vom Zeugen K. manipulierte Überweisungsvorgänge insgesamt 8.191,96 Euro. Sie wendet gegen die Rückzahlungsklage ein, sie habe nicht gewusst, dass der Zeuge K. die Zahlungen in unrechtmäßiger Weise zu Lasten der Klägerin veranlasst habe. Vielmehr habe sie die Geldbeträge als Entgelt für die von ihr dem Zeugen K. erbrachten Prostitutionsleistungen erhalten. Demgegenüber beruft sich die Klägerin auf den von der Bundeskasse auf dem Überweisungsträger mit „Gebühr” angegebenen Zahlungstatbestand.

Das LG hat die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Leistungskondiktion zur Rückzahlung der Überweisungsbeträge verurteilt.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Aus ihrer maßgeblichen Sicht als Zuwendungsempfängerin habe sie das Geld als Leistung des Zeugen K. auf unstr. bestehende Verbindlichkeiten auf Grund ihrer Dienstleistungen verstehen dürfen. Sie habe daher die Überweisungssumme mit Rechtsgrund empfangen.

Die Klägerin tritt der Berufung entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil des LG.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die im landgerichtlichen Urteil getroffenen Feststellungen sowie darüber hinaus auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B. Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg.

I. Das LG hat nicht geprüft, ob für die vorliegende Klage auf Rückzahlung von Leistungen der Klägerin nach dem Soldatenversorgungsgesetz der Weg zu der ordentlichen str. Gerichtsbarkeit eröffnet ist. Das Berufungsgericht wird daher erstmals mit der Rechtswegfrage befasst. Gleichwohl braucht das Vorabverfahren gem. § 17a GVG hier nicht durchgeführt werden, da die Zulässigkeit des bestrittenen Rechtsweges zu den ordentlichen Gerichten nicht in Zweifel steht (BGH BGHZ 132, 24).

Die Beurteilung des Streitfalles richtet sich nach privatrechtlichem Bereicherungsausgleich, da die Zahlungen der öffentlichen Hand an eine nicht versorgungsberechtigte Empfängerin gingen, sodass ein öffentlich-rechtliches Leistungsverhältnis nicht bestanden hat und die Klägerin die Zahlungen nicht einseitig durch Leistungsbescheid wieder hätte zurückfordern können (vgl. BGH BGHZ 71, 180 [183 f.]; BGHZ 73, 202 [203]; Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 13 GVG Rz. 33; vertiefend zu diesem Problemkreis W. Lorenz, FS Lerche, 1993, S. 929, 936 ff.).

II. In der Sache hat das LG die Beklagte mit Recht zur Rückzahlung der von der Klägerin empfangenen Beträge unter bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten verurteilt. Für einen deliktsrechtlichen Anspruchsgrund fehlt es an den erforderlichen tatsächlichen Feststellungen.

Das Anspruchsbegehren der Klägerin findet in § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB eine gesetzliche Stütze. Die Beklagte hat die Überwe...

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