Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Berücksichtigung von Tilgungsleistungen bei der Unterhaltsberechnung und zur Dauer des Betreuungsunterhaltsanspruchs nach neuem Unterhaltsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Tilgungsaufwendungen für eine im Alleineigentum eines Ehegatten stehende Wohnung können bei der Unterhaltsbemessung als angemessene Altersvorsorge berücksichtigt werden, auch wenn die Wohnung nicht selbst bewohnt wird, sondern als Kapitalanlage dient. (Urteil S. 13-15)

2. Elternbezogene Gründe sprechen für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts gem. § 1570 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn die schlecht Deutsch sprechende, aus dem Ausland stammende und während der Ehe nicht berufstätige Ehefrau aufgrund dieser Umstände darauf vertrauen durfte, zunächst keine Erwerbstätigkeit ausüben zu müssen. (Urteil S. 18)

3. Einer bislang nicht erwerbstätigen Ehefrau kann nach einer Übergangszeit trotz der Betreuung eines 11-jährigen Kindes nach dem Wechsel des Kindes auf eine weiterführende Schule eine Berufstätigkeit im Umfang von 30 Wochenstunden zugemutet werden. (Urteil S. 19)

 

Normenkette

BGB § 1570 Abs. 1, § 1578

 

Verfahrensgang

AG Weinheim (Urteil vom 23.05.2008; Aktenzeichen 1 F 193/06)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil des AG - FamG - Weinheim vom 23.5.2008 (AZ: 1 F 193/06 UE) im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

1. Unter Aufhebung von Ziff. 3 des Teilversäumnis- und Schlussurteils des AG Weinheim vom 11.12.2007 wird der Antragsgegner verurteilt, an die Antragstellerin Unterhalt wie folgt zu leisten:

a) von 22.1.2008 bis einschließlich März 2008 i.H.v. 312 EUR

b) für April 2008 i.H.v. 520 EUR

c) für Mai bis August 2008 i.H.v. 523 EUR

d) für September bis einschließlich November 2008 i.H.v. 496 EUR

e) für Dezember 2008 i.H.v. 477 EUR

f) sowie beginnend mit Januar 2009 einen monatlichen, im Voraus fälligen Unterhalt i.H.v. 523 EUR.

2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

III. Die Berufung des Antragsgegners wird zurückgewiesen.

IV. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen der Antragsgegner 9/10, die Antragstellerin 1/10.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

VI. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Bei den Parteien handelt es sich um vormalige Eheleute. Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner im Rahmen des Scheidungsverbundverfahrens auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt in Höhe 523 EUR monatlich in Anspruch. Nachdem sie im Termin der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2007 zunächst säumig geblieben ist, ist gegen sie Teilversäumnisurteil ergangen und die Klage auf Unterhalt abgewiesen worden.

Die am ... 1994 geschlossene Ehe der Parteien wurde durch das Teilversäumnis- und Schlussurteil des AG - FamG - Weinheim vom 11.12.2007, rechtskräftig seit 22.1.2008, geschieden. Die Parteien lebten seit Juli 2005 voneinander getrennt. Aus der Ehe der Parteien ist das ehegemeinschaftliche Kind D., geb. am ... 1997, hervorgegangen. Das Mädchen lebt bei der Antragstellerin und wird von dieser betreut und versorgt. Sie besucht derzeit die fünfte Klasse der Hauptschule. Die Parteien haben sich im Verfahren 4 F 145/05 UE+UK mit Vergleich vom 8.6.2006 darauf verständigt, dass der Antragsgegner für D. einen Unterhalt i.H.v. 257 EUR monatlich (Zahlbetrag) zu zahlen hat.

Die 1975 in Venezuela geborene Antragstellerin besucht derzeit einen Integrationskurs und übt am Nachmittag eine geringfügige Beschäftigung als Putzfrau mit einem Umfang von 48 Monatsstunden aus. Sie lebt seit 1994 in der Bundesrepublik Deutschland. Ihr derzeitiges Nettoeinkommen beläuft sich auf 391,20 EUR monatlich. Sie hat ferner Sozialhilfe nach dem SGB II bezogen. Etwa auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangene Unterhaltsansprüche wurden von der Bundesagentur für Arbeit zur Geltendmachung auf die Antragstellerin zurück übertragen.

Der Antragsgegner, von Beruf Elektriker, ist bei der Firma R. P. AG in B. beschäftigt und bezieht ein Nettoerwerbseinkommen von 3.665 EUR. Im Zeitraum von Oktober 2007 bis einschließlich September 2008 erbrachte er 147 Überstunden und erhielt hierfür brutto 3.673,62 EUR. Ferner bezog er an Zulagen für Sonntags-, Feiertags-, Nacht- und Schichtarbeit brutto in diesem Zeitraum 11.894,34 EUR.

Die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien wurden ferner dadurch geprägt, dass sie Miteigentümer zu ½ einer in H. befindlichen Eigentumswohnung sind, die derzeit von der Antragstellerin und der ehegemeinsamen Tochter bewohnt wird. Die rund 80 m2 große Eigentumswohnung wurde fremd finanziert. Bis einschließlich April 2008 erbrachte der Antragsgegner an Zins- und Tilgung eine monatliche Rate i.H.v. 538,52 EUR. Bis einschließlich März 2008 zahlte er ferner die gesamten Nebenkosten für das Anwesen i.H.v. 248 EUR. Im Mai 2008 reduzierte der Antragsgegner seine Zahlungen auf die Finanzierungskosten auf 343,56 EUR. Die Antragstellerin zahlt derzeit auf die Nebenkosten, die sich im Jahr 2008 auf 254 EUR monatlich erhöht haben,...

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