Entscheidungsstichwort (Thema)

Altrechtliche Dienstbarkeit nach dem Badischen Allgemeinen Landrecht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Wegerecht nach dem Badischen Allgemeinen Landrecht konnte vor Inkrafttreten des BGB zum 01.01.1900 durch eine verbindliche, aber grundsätzlich formfreie Willenserklärung des Eigentümers erworben werden. Eine Eintragung im Grundbuch war nicht erforderlich.

2. Nach dem Badischen Allgemeinen Landrecht handelte es sich bei einem Wegerecht im Zweifel um eine Grunddienstbarkeit.

3. Die Darlegungs- und Beweislast für die Entstehung, den Umfang und den Fortbestand einer altrechtlichen Dienstbarkeit liegt beim Begünstigten. Welche Beweismittel für die Überzeugungsbildung des Gerichts nach § 286 ZPO erforderlich und hinreichend sind ist eine Frage des Einzelfalls.

4. Das Inkrafttreten des BGB ließ den Bestand einer altrechtlichen Dienstbarkeit unberührt (Art. 184 EGBGB). Wurde die Dienstbarkeit nicht im Grundbuch eingetragen kommt in Baden-Württemberg ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb des Grundstücks nur bei einem ab dem 01.01.1978 stattgefundenen Verkehrsgeschäft in Betracht.

 

Normenkette

AGBGB-BW § 31; BGB §§ 873, 892, 894, 1018, 1020; EGBGB Art. 184, 187

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 17.11.2020; Aktenzeichen 19 O 21/20)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 17.11.2020 (Aktenzeichen: 19 O 21/20) im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

1. a. Die Beklagte wird verurteilt, zu dulden, dass der Kläger, die zu seinem Haushalt gehörenden Personen, die jeweiligen in dem Haus, H-straße 1, M., wohnenden Mieter sowie deren jeweilige Besucher und Handwerker den Weg über die Einfahrt des Grundstücks R-straße 13, M., als Zugangs- bzw. Zufahrtsweg zum Hauseingang des Hauses H-straße 1, M., benutzen.

b. Die Beklagte wird verurteilt, der Eintragung einer altrechtlichen Dienstbarkeit zu Lasten ihres Grundstücks (R-straße 13, M., Grundbuch von M., Blatt Nr. ..., Bestandsverzeichnis lfd. Nr. ..., Flurstück Nr. 29) und zu Gunsten des Grundstücks des Klägers (H-straße 1, M., Flurstück Nr. 30) in Abteilung II des Grundbuchs zuzustimmen, mit folgendem Inhalt:

Der Eigenthümer der Hofreite No. 30 hat das Recht durch meine Hofreite No. 29 zu gehen und zu fahren um auf sein Anwesen No. 30 zu kommen.

c. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung nach Ziffer 1 ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monate angedroht.

d. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren sowie unter Abänderung des Beschlusses vom 17.11.2020 auch für das erstinstanzliche Verfahren auf 45.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in M. Sie streiten um ein Wegerecht über das Grundstück der Beklagten, das der Kläger für sich in Anspruch nimmt.

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks H-straße 1 (Flurstück Nr. 30). Das Grundstück liegt zurückgesetzt an der Einmündung der H-straße in die R-straße. Es grenzt nicht an eine öffentliche Straße oder einen öffentlichen Weg. Zur Verdeutlichung der örtlichen Situation wird auf die von beiden Parteien vorgelegten Bilder und den Lageplan verwiesen, dem der folgende Ausschnitt entnommen ist:

((Abbildung))

Von der H-straße aus verläuft ein Weg über die Flurstücke Nr. 36 und 38 zu den Flurstücken Nr. 39 und Nr. 40. Dieser Weg führt entlang der Grenze der Flurstücke Nr. 31 und Nr. 30, liegt aber höher als das Grundstück des Klägers (Flurstück Nr. 30), das zum Weg hin von einer Mauer begrenzt wird. Dagegen sind die Grundstücke der Beklagten (R-straße 13, Flurstück Nr. 29) und des Klägers (Flurstück Nr. 30) niveaugleich. Es ist daher möglich, mit Fahrzeugen von der R-straße über das Grundstück der Beklagten auf das Grundstück des Klägers zu gelangen. Von dieser Möglichkeit haben die Rechtsvorgänger des Klägers Gebrauch gemacht und auch der Kläger hat diese Zufahrt bislang genutzt. Damit ist die Beklagte nicht mehr einverstanden.

Im Grundbuch ist gegenwärtig kein Wegerecht zugunsten des Flurstücks Nr. 30 eingetragen. In verschiedenen Dokumenten und Verzeichnissen seit 1879 wird aber ein Überfahrtsrecht zugunsten des Flurstücks Nr. 30 und zu Lasten des Flurstücks Nr. 29 erwähnt. Der Kläger hat hierzu insbesondere das folgende Dokument vorgelegt (Anlage K12):

((Abbildung))

Das jüngste im Verfahren vorgelegte Dokument, in dem ein Überfahrtsrecht erwähnt wird, ist ein Grundbuchauszug von 1992. Dort ist im Bestandsverzeichnis I zum Grundstück des Klägers (Flurstück Nr. 30) vermerkt: "Grundstück Nr. 30 hat Überfahrtsrecht über Grundstück Nr. 29...

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