Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Testamentsvollstreckers für Prozesskosten nach verlorenem Rechtsstreit; Drittrechtsverhältnis als Gegenstand einer Feststellungsklage

 

Leitsatz (amtlich)

1. Hatte sich der Testamentsvollstrecker unter Anwendung der von einem gewissenhaften Inhaber eines solchen Amtes zu erwartenden Sorgfalt unter Berücksichtigung etwaiger besonderer beruflicher Qualifikationen - hier: der eines Rechtsanwalts - zur Prozessführung entschlossen, so ist er zur Rückzahlung der aus dem Nachlass entnommenen Prozesskosten auch dann nicht verpflichtet, wenn der Prozess verlorengegangen ist.

2. Zur Frage der Zulässigkeit einer gegen einen Erben gerichteten Klage des Testamentsvollstreckers auf Feststellung, dass ein Dritter nicht Erbe geworden ist.

 

Verfahrensgang

LG Offenburg (Urteil vom 09.04.2003; Aktenzeichen 3 O 518/02)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Offenburg vom 9.4.2003 - 3 O 518/02 - dahin abgeändert, dass die Klage abgewiesen wird.

2. Die Klägerin trägt die Kosten beider Instanzen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der jetzige Beklagte, der den Beruf eines Rechtsanwalts ausübt, ist Testamentsvollstrecker über den Nachlass des am 15.10.1995 verstorbenen Erblassers O.B., der die jetzige Klägerin und deren Bruder testamentarisch zu Erben eingesetzt hatte. Der Bruder der Beklagten hat seinen Erbteil mit Vertrag vom 4.4.1997 auf seine Ehefrau übertragen.

Mit der Begründung, der Bruder der jetzigen Klägerin habe sich der Durchführung der letztwilligen Verfügungen des Erblassers nachhaltig widersetzt und sei daher nach der Anordnung des Erblassers im Testament vom 19.12.1994 auf den Pflichtteil gesetzt, hatte der jetzige Beklagte im Verfahren 2 O 370/01 des LG O. gegen die jetzige Klägerin, gegen deren Bruder sowie gegen dessen Ehefrau Feststellungsklage erhoben und zuletzt die Feststellung beantragt, dass der Bruder der jetzigen Klägerin nicht Erbe bzw. Miterbe nach dem Erblasser O.B. sei und die Ehefrau des Bruders der Klägerin aus dem Erbteilübertragungsvertrag vom 4.4.1997 keinerlei vermögensrechtliche Stellung am Nachlass des Erblassers erworben habe. Mit Urteil vom 15.10.2002 hat das LG die Klage in Bezug auf die jetzige Klägerin als unzulässig und in Bezug auf die übrigen damaligen Beklagten als unbegründet zurückgewiesen. Bezüglich der jetzigen Klägerin hat der jetzige Beklagte das landgerichtliche Urteil hingenommen.

Die jetzige Klägerin, die die Auffassung vertritt, der jetzige Beklagte habe durch Erstreckung des damaligen Rechtsstreits auch auf sie seine Pflichten als Testamentsvollstrecker verletzt, nimmt ihn im jetzigen Rechtsstreit auf Ersatz der wegen des früheren Rechtsstreits zu Lasten des Nachlasses entstandenen und nach ihrer Auffassung unnützen Kosten in Anspruch.

Wegen des von der Klägerin verfolgten Anspruchs und des zugrunde liegenden Sachverhalts im Einzelnen, wegen des Parteivorbringens sowie wegen der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Durch das angefochtene Urteil hat das LG den Beklagten verurteilt, in den Nachlass auf Ableben des Erblassers O.B. 8.940,52 Euro nebst Zinsen zu bezahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte habe sich als Testamentsvollstrecker deswegen ersatzpflichtig gemacht, weil er im Verfahren 2 O 370/01 des LG Offenburg auch die jetzige Klägerin mitverklagt habe. Die Unzulässigkeit der Klageerstreckung auf die Klägerin sei für den Beklagten als Rechtsanwalt schon bei Vornahme der entsprechenden Prüfung erkennbar gewesen.

Mit der Berufung verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter. Er vertritt die Auffassung, das die gegen die jetzige Klägerin gerichtete Klage als unzulässig zurückweisende Urteil des LG vom 15.10.2002 im früheren Verfahren sei rechtsfehlerhaft gewesen; als er die Klägerin in seine Feststellungsklage einbezog, habe er ein solches offensichtliches Fehlurteil einer Zivilkammer nicht voraussehen müssen.

Der Beklagte beantragt, die Klage unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils abzuweisen.

Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für richtig und beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Der Senat vermag nicht der Auffassung des LG zu folgen, wonach der Beklagte mit der Folge einer Schadensersatzpflicht nach § 2219 Abs. 1 BGB seine ihm als Testamentsvollstrecker obliegenden Pflichten dadurch schuldhaft verletzt hat, dass er im Verfahren 2 O 370/01 des LG Offenburg (künftig: Vorprozess) auch die jetzige Klägerin verklagt hat. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die im Vorprozess in Bezug auf die jetzige Klägerin ergangene und in Rechtskraft erwachsene Entscheidung richtig war oder nicht, so...

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