Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachehelicher Unterhalt nach russischem Recht

 

Leitsatz (redaktionell)

Nachehelicher Unterhaltsanspruch nach russischem Recht, wenn die in Russland lebende Unterhaltsberechtigte erwerbsunfähig und bedürftig ist.

 

Normenkette

EGBGB Art. 18 Abs. 1 Nr. 1; russ. FGB Art. 90-91

 

Verfahrensgang

AG Baden-Baden (Urteil vom 15.08.2006; Aktenzeichen 15 F 11/06)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des AG - Familiengericht - Baden-Baden vom 15.8.2006 (15 F 11/06) im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung wie folgt abgeändert:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin nachehelichen Unterhalt i.H.v. 583,50 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten aus 16,50 EUR seit 7.2.2006 und aus je 21 EUR ab jedem Monatsersten in der Zeit von März 2006 bis einschließlich Mai 2008 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten der ersten Instanz trägt die Klägerin 87 % und der Beklagte 13 %.

II. Von den Kosten der zweiten Instanz trägt die Klägerin 40 % und der Beklagte 60 %.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt.

Die am 10.3.1992 geschlossene Ehe der Parteien, die ursprünglich beide Staatsangehörige der Russischen Föderation waren, ist mit Urteil des AG Baden-Baden vom 1.3.2005 (15 F 197/03), rechtskräftig seit 7.2.2006, geschieden worden.

Die am ... 1955 geborene Klägerin ist seit dem 1.1.1997 als Invalidin der dritten Invaliditätsgruppe anerkannt und bezieht eine (geringe) monatliche Rente. Mit der am ... 1994 geborenen ehegemeinsamen Tochter der Parteien, für die der Beklagte letztmals am 10.6.2008 den titulierten Kindesunterhalt i.H.v. 88,50 EUR gezahlt hat, lebt sie in N./Russische Förderation in einem Anwesen, für das sie keine Kaltmiete, jedoch Nebenkosten zu zahlen hat.

Der Beklagte hat von 2004 bis 14.7.2005 als Kraftfahrer gearbeitet. Vom 15.7.2005 bis zum 12.2.2006 ist er arbeitslos gewesen und seit 13.2.2006 ist er als Kraftfahrer bei der Firma W. M. S. mbH & Co. KG in Achern mit einem Nettoverdienst von 1.401,41 EUR beschäftigt.

Die Klägerin hat mit der Behauptung, ihr stehe Geschiedenenunterhalt zu, weil sie eine erwerbsunfähige Invalidin sei und innerhalb von fünf Jahren ab Auflösung der Ehe Rentnerin werde, ab Rechtskraft der Ehescheidung monatlich 166 EUR nebst Zinsen vom Beklagten verlangt.

Das AG hat die Klage auf nachehelichen Unterhalt abgewiesen. Der Klägerin stehe weder nach Art. 90 Ziff. 1, 3. Alternative noch nach Art. 90 Ziff. 1, 4. Alternative des Familiengesetzbuchs der russischen Föderation vom 19.12.1995 Unterhalt zu. Die Klägerin sei zwar als erwerbsunfähig anzusehen, habe jedoch nicht schlüssig dargetan, dass sie bedürftig sei. Auch habe sie das gesetzliche Rentenalter von 55 Jahren (noch) nicht erreicht.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie behauptet weiter, als Invalidin der 3. Invaliditätsgruppe erwerbsunfähig und bedürftig zu sein. Ihre staatliche Rente liege rund 50 % unter dem Existenzminimum in Russland. Auch sei es kein vermögenswerter Vorteil, dass sie in einem Haus lebe, für das sie keine Miete zahle, da es für ein solches Haus in Russland keinen "Kaltmietzins" gebe; sie trage jedoch die laufenden Kosten dieser Unterkunft. Ihre volljährigen Söhne aus erster Ehe würden sie nur mit immateriellen Leistungen unterstützen. Außerdem habe sie schon dem AG Unterlagen zur Verfügung gestellt, aus denen sich ergebe, welche Leistungen im Gebiet N. welche Beträge kosten. Infolge der vollumfänglichen Versorgung und Betreuung der gemeinsamen Tochter stehe ihr über das Existenzminimum hinaus auch ein Alleinerziehendenzuschlag zu. Angesichts dessen, dass der Beklagte über monatliche Einkünfte i.H.v. 1.500 EUR netto verfüge, könne sie nicht auf den Differenzbetrag von 25 EUR zwischen ihrer Rente und dem Existenzminimum verwiesen werden, vielmehr dürfe sie an der Verbesserung des Lebensstandards des Beklagten teilhaben.

Sie hat im Berufungsverfahren - was unstreitig geblieben ist - vorgetragen, der Beklagte sei wieder verheiratet und habe damit Vorteile von mindestens 150 EUR monatlich.

Der Beklagte hat im Berufungsverfahren zugestanden, dass der Unterschied zwischen der Rente der Klägerin und dem Existenzminimum mindestens 21 EUR betrage und dass die Klägerin erwerbsunfähig sei, weil sie keine der sozial-medizinischen Expertise entsprechende Arbeit finden könne.

Der Beklagte behauptet, wegen einer im März 2008 aufgetretenen Tumorerkrankung sei er aber seit Juni 2008 nicht mehr leistungsfähig. Er beziehe seit dem 26.5.2008 nur noch Krankengeld i.H.v. monatlich 794,70 EUR und während einer Kurbehandlung sogar nur monatlich 688,20 EUR Übergangsgeld.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den Anlagen verwiesen.

II. Die (nach gewährter Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist) zulässige Berufung ist teilweise begründet.

1. Da di...

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