Entscheidungsstichwort (Thema)

pflichtteilsberechtigter Erbe. Alleinerbe. Ausschlagung der Erbschaft. Auskunft über den Bestand des Nachlasses. Verzicht auf Auskunftsanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

§ 2306 Abs. 1 S. 2 BGB findet auch Anwendung, wenn der pflichtteilsberechtigte Erbe, der zum Alleinerben eingesetzt wurde, die Erbschaft wirksam ausgeschlagen hat.

 

Normenkette

BGB § 2306 Abs. 1 S. 2, §§ 2314, 154 Abs. 1 S. 2, § 242

 

Verfahrensgang

LG Baden-Baden (Urteil vom 05.04.2007; Aktenzeichen 3 O 204/06)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten zu 1 gegen das Teilurteil des LG Baden-Baden vom 5.4.2007 - 3 O 204/06 - wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte zu 1 trägt die Kosten des Berufungsrechtszugs.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte zu 1 (im Folgenden: Beklagte) Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche aufgrund des Todes ihres Ehemanns B. geltend. Mit dem Klageantrag Ziff. 2.a verlangt die Klägerin von der Beklagten im Wege der Stufenklage zunächst Auskunft über den Nachlass ihres verstorbenen Ehemannes unter ihrer Hinzuziehung durch Vorlage eines notariellen Bestandsverzeichnisses. Durch das angegriffene Teilurteil, auf das wegen des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug sowie der getroffenen Feststellungen Bezug genommen wird, hat das LG der Klage mit der Maßgabe stattgegeben, dass über unentgeltliche und teilunentgeltliche Zuwendungen des Erblassers nur für den Zeitraum von 10 Jahren vor dem Erbfall Auskunft zu erteilen ist mit Ausnahme solcher Schenkungen, bei denen kein Genussverzicht innerhalb der letzten 10 Jahre vor dem Erbfall eingetreten ist. Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Klägerin der Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB zustehe, da sie pflichtteilsberechtigt sei. § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB sei auch auf den zum Alleinerben berufenen Pflichtteilsberechtigten anwendbar. Zudem habe die Klägerin nicht durch das Schreiben ihres früheren Bevollmächtigten vom 26.1.2005 auf den Auskunftsanspruch verzichtet.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Zur Begründung trägt sie vor, dass der Klägerin kein Auskunftsanspruch zustehe. Sie sei nicht pflichtteilsberechtigt, weil sie die Erbschaft ausgeschlagen habe, obwohl sie zur Alleinerbin eingesetzt worden sei. Zudem habe die Klägerin auf einen Auskunftsanspruch verzichtet.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im zweiten Rechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung ist unbegründet.

1. Die Berufung ist zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 600 EUR (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Nach ständiger Rechtsprechung richtet sich die Beschwer eines Beklagten, der zur Erteilung einer Auskunft verurteilt worden ist, nach seinem Interesse, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Für die Bewertung dieses Abwehrinteresses ist in der Regel der Aufwand an Zeit und Kosten maßgebend, den die Erteilung der Auskunft verursacht (vgl. BGH NJW-RR 2005, 74; BGH NJW 2001, 1284 m.w.N.). Danach ist hier davon auszugehen, dass der Aufwand, der die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft verursachen wird, deutlich über 600 EUR liegt. Ob die Kosten für die Aufnahme des Nachlassverzeichnisses, welche als Kosten dem Nachlass zur Last fallen (§ 2314 Abs. 2 BGB) und damit als Nachlassverbindlichkeiten teilweise auch den Pflichtteilsanspruch der Klägerin mindern, allein die notwendige Beschwer begründen können, kann offen bleiben. Es handelt sich um einen umfangreichen Nachlass mit Immobilien in Deutschland und Spanien. Auch wenn die Klägerin auf das vorläufige Nachlassverzeichnis der Testamentvollstrecker aufbauen kann, fehlen dort doch gerade konkrete Angaben zum Inventar der Anwesen Baden-Baden und auf Teneriffa. Das gleiche gilt für die Museumsgegenstände, wobei im Einzelnen nachvollzogen werden muss, ob Gegenstände, welche sich in dem Museum befinden, unmittelbar von der Beklagten angeschafft oder innerhalb des Zeitraums von 10 Jahren gem. § 2325 Abs. 3 BGB vom Erblasser der Beklagten geschenkt wurden.

2. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte gem. § 2314 BGB auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses ihres verstorbenen Ehemannes durch Vorlage eines notariellen Verzeichnisses, bei dessen Aufnahme sie hinzuzuziehen ist.

a) Die Klägerin ist pflichtteilsberechtigt. Nach § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB kann der Pflichtteilsberechtigte, wenn der hinterlassene Erbteil größer als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils ist, den Pflichtteil verlangen, wenn er den Erbteil ausschlägt. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Klägerin ist als Ehegattin des Erblassers nach § 2303 Abs. 2 S. 1 BGB pflichtteilsberechtigt. Sie wurde durch das Testament des Erblassers vom 15.10.2004 zur Alleinerbin eingesetzt und durch die Anordnung der Testamentsvollstreckung besc...

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