Leitsatz (amtlich)

1. Haben die Hersteller von Markenartikeln (hier: Maschinengeschirrspülmittel) vereinbart, die Preise um einen bestimmten Prozentsatz anzuheben und diese Preiserhöhung gegenüber den Handelsunternehmen durchgesetzt, kann angenommen werden, dass deren in den Kartellzeitraum fallende Beschaffungsvorgänge von den Kartellabsprachen betroffen waren.

2. Steht die Kartellbetroffenheit der Beschaffungsvorgänge fest, genügt es für den Erlass eines Grundurteils, wenn das Gericht von der Wahrscheinlichkeit überzeugt ist, dass die genannte Preisabsprache zu einem Schaden der Handelsunternehmen geführt hat. Ob weitere Kartellabsprachen wie die Reduzierung der Packungsgrößen auf Kartellpreisniveau den Schaden vertieft haben, kann dem Betragsverfahren vorbehalten bleiben.

3. Der "Passing-on"-Einwand steht einer Zwischenentscheidung über den Anspruchsgrund nur entgegenstehen, wenn bereits auf erste Sicht und ohne weitere Sachverhaltsaufklärung (Beweisaufnahme) festzustellen ist, dass der in Rede stehende Kartellschaden vollständig weitergegeben worden ist. (Anschluss an OLG Düsseldorf, Urteil vom 29. August 2018 - VI-U (Kart) 11/17, juris Rn. 94).

4. Der Restschadensersatzanspruch gemäß § 852 Satz 1 BGB besteht auch nach Verjährung der Schadensersatzansprüche aus § 33 GWB 2005 fort.

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 22. August 2017 - 2 O 46/16 Kart - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

4. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, sofern nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerinnen begehren aus eigenem und abgetretenem Recht Schadensersatz wegen Kartellrechtsverstößen bei der Beteiligung der Beklagten am "Maschinengeschirrspülmittelkartell" im Bezugszeitraum von Januar 2006 bis November 2008.

Die Klägerinnen gehören zur [A.]-Gruppe. Die Klägerin zu 3) ist die Holdinggesellschaft der [A.]-Gruppe, die Beklagten zu 1) und 2) sind deren indirekte 100%ige Tochtergesellschaften. Die Klägerin zu 1) ist eine Selbstbedienungsgroßhandelskette mit einem Multichanel-Vertriebssystem im stationären Handel und Onlinevertrieb, über den sie verschiedene Produkte über zwei Vertriebsmarken ([A.] und [A'.]) an registrierte gewerbliche Kunden vertreibt. Über beide Vertriebsmarken bietet die Klägerin zu 1) registrierten gewerblichen Kunden ein umfangreiches Warensortiment an, darunter Maschinengeschirrspülprodukte. Neben den Maschinengeschirrspülprodukten der Beklagten bietet die Klägerin zu 1) auch entsprechende Produkte der Eigenmarke "[A'']" an.

Die Klägerin zu 2) betreibt unter anderem bundesweit Selbstbedienungswarenhäuser und einen Online-Shop (Stand: Geschäftsjahr 2014/2015). Bis zum Herbst 2008 firmierte die Klägerin zu 2) unter [B.]. Sie verkauft bis zu 80.000 verschiedene Waren, unter anderem Maschinengeschirrspülprodukte der Beklagten. In diesem Produktsortiment bietet die Klägerin zu 2) neben den Produkten von Markenherstellern wie der Beklagten auch Produkte ihrer Eigenmarken "[B.]" und "[B.']" an.

Die Klägerin zu 3) ist die Holdinggesellschaft der [A.]-Gruppe. Ihr wurden von der [C.] alle Ansprüche auf Ersatz derjenigen Schäden abgetreten, die dieser dadurch entstanden sind, dass sie im hier interessierenden Zeitraum für die Vertriebslinie [C.] bei der Beklagten Maschinengeschirrspülmittelprodukte bezogen hat.

Die [C.] verkaufte unter dieser Vertriebslinie unter anderem Wasch-, Reinigungs- und Putzmittel, darunter Maschinengeschirrspülmittelprodukte von Herstellern wie der Beklagten. Zusätzlich zum Filialbetrieb umfasste die Vertriebslinie [C.] auch einen Internet-Shop.

Die Beklagte gehört zur Unternehmensgruppe [X.], einem weltweit führenden Hersteller von Maschinengeschirrspülmittelprodukten. Die Beklagte vertreibt unter anderem die Produkte der Geschirrspülmittelmarke "[X.]", welche im streitgegenständlichen Zeitraum noch unter der Marke "[X.']" gehandelt wurden.

Mit Bescheid vom 23. November 2011 verhängte das Bundeskartellamt wegen Beteiligung an dem Maschinengeschirrspülmittelkartell gegen die Beklagte und deren Prokuristen und Sales Director, Herrn [...], jeweils Bußgelder.

Nach den Feststellungen des inzwischen rechtskräftigen Bußgeldbescheides kam es im Zeitraum von Juli 2005 bis Juni 2007 zwischen dem Geschäftsführer Vertrieb der [Y.] (nachfolgend: [Y.]), Herrn [...], sowie dem Prokuristen der Beklagten in drei Fällen zu bilateralen Absprachen direkter und indirekter Preiserhöhungen betreffend die Produktsegmente Maschinengeschirrspülmittel in Pulver- und in Tabform, Waschmittelzusätze und Allzweckhaushaltsreiniger. Die Vorgenannten verständigten sich über das Ob, den Umsetzungszeitpunkt sowie die Größenordnung der Preiserhöhung....

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