Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatzpflicht des Insolvenzverwalters bei Veräußerung von Sicherungsgut entgegen Angebot des Sicherungsgläubigers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Erhält der Insolvenzverwalter nach einem Hinweis des absonderungsberechtigten Gläubigers auf eine günstigere Verwertung eine noch bessere Verwertungsmöglichkeit, bedarf es grundsätzlich keiner erneuten Mitteilung an den Gläubiger. Das Mitwirkungsrecht des Gläubigers ist durch einen einmaligen Nachweis einer günstigeren Verwertungsmöglichkeit oder ein einmaliges Selbsteintrittsangebot in der Regel hinreichend gesichert.

2. Aber auch im Falle einer Verletzung der nochmaligen Hinweispflicht hat der absonderungsberechtigte Gläubiger nur einen Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als hätte der Beklagte zu dem von ihr angegebenen Höchstgebot - sei es an die Klägerin oder an einen Dritten - veräußert.

3. Geht der Insolvenzverwalt auf den Gläubigervorschlag nicht ein, sondern veräußert das Sicherungsgut anderweitig, ist die Verwertung im Rahmen der Insolvenzverordnung mit der Auskehrung des Erlöses sowie des Differenzbetrages zu der aufgezeigten günstigeren Verwertungsmöglichkeit oder des Selbsteintrittsangebotes an den absonderungsberechtigten Gläubiger nach § 168 Abs. 2, 2. Alt. InsO abgeschlossen.

4. Die Gewinninteressen durch Weiterveräußerung sind hingegen vom Schutzzweck des § 168 InsO nicht umfasst.

 

Normenkette

InsO § 168 Abs. 2, § 168 2. Alt

 

Verfahrensgang

LG Freiburg i. Br. (Urteil vom 30.01.2008; Aktenzeichen 8 O 212/07)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 22.04.2010; Aktenzeichen IX ZR 208/08)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Freiburg vom 30.1.2008 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt Schadensersatz von dem Beklagten, der als Insolvenzverwalter im Sicherungseigentum der Klägerin stehendes Gaststätteninventar verwertet hat.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des LG Freiburg vom 30.1.2008 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das LG hat die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe im Rahmen der Verwertung der mit Absonderungsrechten der Klägerin belasteten Gegenstände keine insolvenzspezifischen Pflichten verletzt. Der Beklagte habe die Rechte der Klägerin durch Hinweis auf den beabsichtigten freihändigen Verkauf mit Schreiben vom 24.11.2008 ausreichend gewahrt. Zwar habe die Klägerin den im Schreiben des Insolvenzverwalters in Aussicht gestellten Kaufpreis überboten. Der Beklagte sei in der Folge jedoch nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin davon zu unterrichten, dass der erzielbare Kaufpreis gestiegen sei, um ihr Gelegenheit zur Nachbesserung ihres Selbsteintrittsgebots zu geben.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Die Klägerin stimmt zunächst den Feststellungen des LG, dass der Beklagte mit Schreiben vom 24.11.2005 einen Verwertungspreis von 13.100 EUR netto in Aussicht gestellt hat und die Klägerin daraufhin einen Selbsteintrittspreis von 13.150 EUR netto erklärt hat, zu. (Dass er dann ohne erneute Benachrichtigung der Klägerin auf das danach eingegangene Angebot von 14.300 EUR eingegangen sei, begründe ihren Anspruch.) Sie ist jedoch der Auffassung, dass ein Insolvenzverwalter verpflichtet sei, dem gesicherten Gläubiger die Möglichkeit zu geben, auf ein neues besseres Angebot innerhalb einer neu zu setzenden Wochenfrist zu reagieren. Jedenfalls lägen nach Auffassung der Klägerin hier besondere Umstände vor, die eine erneute Mitteilungspflicht begründeten. So habe der Justitiar der Klägerin dem Beklagten in einem zwischen dem 25.11. und 26.11.2005 geführten Telefonat mitgeteilt, dass der vom Beklagten in Aussicht gestellte Verwertungserlös für deutlich zu niedrig gehalten werde und die Klägerin entschlossen sei, bei einem Erlös dieser Größenordnung das Inventar auszubauen und selbst die Verwertung zu übernehmen. Ihr Justitiar habe außerdem am Telefon erklärt, dass er von einem deutlich höheren Zeitwert des Inventars auf der Basis des Gutachtens M. ausgehe. Die Klägerin sei in jedem Fall bereit gewesen, das Inventar zu einem Preis von 14.300 EUR - dem Angebot des Konkurrenten - zu übernehmen. Diesen Preis hätte die Klägerin im Falle einer erneuten Mitteilung geboten. Da der Beklagte das Gutachten M. mit einem Verkehrswert von 100.000 EUR im Januar 2005 kannte und gewusst habe, dass die Klägerin von dessen Richtigkeit ausgehe, hätte der Beklagte dringende Anhaltspunkte dafür gehabt, dass das Inventar deutlich mehr wert sei. Deshalb sei der Beklagte hier angesichts des beabsichtigten Verkaufs zu einem nur unwesentlich höheren Preis zur erneuten Mit...

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