Leitsatz (amtlich)

1) Zum Anspruch auf Rechtsschutzdeckung für eine beabsichtigte Klage gegen die Daimler AG aufgrund von behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtungen ("Diesel-Skandal").

2) Für die Beurteilung der Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung ist - auch im Rahmen eines Stichentscheids - der Zeitpunkt der Bewilligungsreife maßgeblich. Wird die Rechtslage erst später - etwa aufgrund höchstrichterlicher Entscheidungen - zum Nachteil des Versicherungsnehmers geklärt, kann sich der Versicherer darauf nicht berufen.

3) Welche Anforderungen an den Inhalt des Stichentscheids im Einzelfall gelten, richtet sich maßgeblich nach der Begründung, auf die der Versicherer die Ablehnung seiner Eintrittspflicht stützt. Sind dessen Ablehnungsgründe auf bestimmte Punkte beschränkt, so genügt es, wenn auch der Stichentscheid eine Stellungnahme nur bezüglich dieser Punkte enthält.

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 02.05.2023, Az. 8 O 271/22, im Kostenpunkt aufgehoben und wie folgt abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag Nr. ... im Zusammenhang mit der Schadennummer ... verpflichtet ist, die Kosten der außergerichtlichen und erstinstanzlichen Wahrnehmung der rechtlichen Interessen der Klagepartei gegen die Daimler AG aus dem Kauf eines Daimler (FIN ...) und der unterstellten Manipulation der Abgassteuerung dieses Fahrzeugs zu tragen.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den Kosten des in Zusammenhang mit der Schadennummer ... gefertigten Stichentscheids der K. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH vom 10.03.2022 in Höhe von 599,90 EUR freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Deckungspflicht des beklagten Rechtsschutzversicherers für eine von dem Kläger angestrebte Klage im Zusammenhang mit dem sog. Abgasskandal.

Der Kläger kaufte am 23.09.2015 bei dem Autohaus F. einen Mercedes-Benz ML 350 CDI BlueTEC, FIN ..., Kilometerstand: 24.164 km, Motortyp OM 642, Abgasnorm EURO 6, zu einem Kaufpreis von 62.400,- EUR brutto.

Die Parteien sind durch einen Rechtsschutzversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer ... unter Geltung der ARB 2013 miteinander verbunden (vgl. Versicherungsschein vom 16.09.2013). In den ARB 2013 ist auszugsweise Folgendes bestimmt:

"§ 2 LEISTUNGSARTEN

Der Umfang des Versicherungsschutzes kann in den Formen des § 21 bis § 29 vereinbart werden. Je nach Vereinbarung umfasst der Versicherungsschutz

a) Schadenersatz-Rechtsschutz

für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen, soweit diese nicht auch auf einer Vertragsverletzung oder einer Verletzung eines dinglichen Rechtes an Grundstücken, Gebäuden oder Gebäudeteilen beruhen;

[...]

§ 3a ABLEHNUNG DES RECHTSSCHUTZES WEGEN MANGELNDER ERFOLGSAUSSICHTEN ODER WEGEN MUTWILLIGKEIT - STICHENTSCHEID

(1) Der Versicherer kann den Rechtsschutz ablehnen, wenn seiner Auffassung nach

a) in einem der Fälle des § 2 a) bis g) die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat

oder

b) die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen mutwillig ist. Mutwilligkeit liegt dann vor, wenn der durch die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen voraussichtlich entstehende Kostenaufwand unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der Versichertengemeinschaft in einem groben Missverhältnis zum angestrebten Erfolg steht.

Die Ablehnung ist dem Versicherungsnehmer in diesen Fällen unverzüglich unter Angabe der Gründe schriftlich mitzuteilen.

(2) Hat der Versicherer seine Leistungspflicht gemäß Absatz 1 verneint und stimmt der Versicherungsnehmer der Auffassung des Versicherers nicht zu, kann er den für ihn tätigen oder noch zu beauftragenden Rechtsanwalt auf Kosten des Versicherers veranlassen, diesem gegenüber eine begründete Stellungnahme abzugeben, ob die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Erfolg steht und hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht. Die Entscheidung ist für beide Teile bindend, es sei denn, dass sie offenbar von der wirklichen Sach- und Rechtslage erheblich abweicht."

Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.08.2020 erbat der Kläger von der Beklagten eine Deckungszusage zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Daimler AG aufgrund der Betroffenheit des klägerischen Fahrzeuges vom Abgasskandal. Unter der Schadensnummer ... lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 18.01.2021 eine Deckung unter Berufung auf das Fehlen einer hinreichenden Erfolgsaussicht und Verweis auf die Möglichkeit eines Stichentscheids ab. Auf den daraufhin von den Prozessbevollmächtigten des Klägers zum 10.03.2022 gefertigten Stichentscheid lehnte die Beklagte ihre Deckungspflicht erneut ab.

Der Kläger hat vorgetragen:

Er habe einen Anspruch gegen die Beklagte auf Deckung der Kosten für die Wahrnehmung sein...

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