Normenkette

BGB § 254 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Offenburg (Urteil vom 18.03.2008; Aktenzeichen 3 O 44/06)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Offenburg vom 18.3.2008 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziff. 1 des Urteils geändert und wie folgt neu gefasst wird:

"1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.410,17 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.2.2006 zu bezahlen."

2. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 36.956 EUR.

 

Gründe

I. Die am 20.3.1921 geborene Klägerin macht restliche Ersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, bei dem sie schwer verletzt wurde.

Am 4.10.2002 gegen 17:00 Uhr befuhr der bei der Beklagten haftpflichtversicherte D. G. mit seinem VW Golf die B 33 in G.. Beim Durchfahren einer Rechtskurve innerorts kam er mit einer Geschwindigkeit von etwa 90 km/h auf regennasser Fahrbahn ins Schleudern, geriet auf die Gegenfahrbahn und kollidierte dort frontal mit dem ordnungsgemäß entgegenkommenden Pkw Ford Fiesta, der vom Sohn der Klägerin gesteuert wurde. Die nicht angegurtet auf der Rückbank sitzende Klägerin, ihr angegurteter Sohn und ihr ebenfalls angegurteter Ehemann auf dem Beifahrersitz wurden schwer verletzt, der Ehemann verstarb zwei Stunden nach dem Unfall.

Die bei einer Körpergröße von 158 cm mit 90 kg übergewichtige Klägerin erlitt bei dem Unfall folgende Verletzungen:

  • eine drittgradig offene Unterschenkelfraktur dicht oberhalb des Sprunggelenks links,
  • am linken Hüftgelenk eine Pfannenbodenfraktur mit Luxation des Hüftkopfes in das Beckeninnere,
  • eine Fraktur des linken oberen Schambeinastes,
  • eine Rippenserienfraktur rechts,
  • jeweils einen kleinen Hämatothorax auf beiden Seiten,
  • eine Riß-Quetschwunde an der hohen Stirn.

Zum Zeitpunkt des Unfalls bestanden bei der Klägerin unfallunabhängige degenerative Brust- und Lendenwirbelsäulenveränderungen mit Spondylolisthesis L4/L5 bei Zustand nach Bandscheibenoperation drei Jahre zuvor, Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie und außerordentliche Fettleibigkeit. Die Klägerin wurde bis zum 14.11.2002 auf der Intensivstation behandelt, erst am 4.11.2002 wurde die apparative Beatmung beendet. Die Unterschenkelfraktur und die Hüftpfannenluxationsfraktur wurden operativ mit Platten und Schrauben versorgt. Als Komplikationen traten eine Tachyarrhythmie mit mehrfacher cardialer Dekompensation sowie eine globale respiratorische Insuffizienz ein. Im Januar 2003 wurde die Klägerin zur weiteren rehabilitativen Therapie in die Geriatrische Abteilung der H.-kliniken ... H. verlegt, wo sie bis 12.2.2003 behandelt wurde. Die Klägerin ist seit dem Unfall auf Fremdhilfe angewiesen und benutzt zum Gehen einen Rollator.

Mit der Klage begehrt die Klägerin Erstattung von Kosten für eine Haushaltshilfe im Zeitraum von Oktober 2002 bis September 2005 i.H.v. restlichen 6.897,37 EUR (von der Beklagten nur erstattet 2/3), Schmerzensgeld i.H.v. mindestens 40.000 EUR, abzgl. bezahlter 14.940,69 EUR und Feststellung der vollen Ersatzpflicht für sämtliche materielle Schäden.

Die Parteien streiten im Wesentlichen um die Mithaftungsquote der nicht angeschnallten Klägerin. Die Klägerin hat geltend gemacht, sie habe den Sicherheitsgurt wegen Schwierigkeiten beim Anschnallen infolge ihres Körperumfanges nicht angelegt gehabt. Ein Mitverschulden sei ihr nicht zurechenbar, weil sie mit Gurt schwerere Verletzungen erlitten hätte, zumal der im Kofferraum mitgeführte Kartoffelsack bei dem Unfall nach vorne geschleudert worden sei und sie voll getroffen hätte, wenn sie fixiert gewesen wäre. Jedenfalls trete ein etwaiges Mitverschulden hinter dem groben Verschulden des Beklagten zurück, keinesfalls sei es mit 1/3 anzusetzen, wie die Beklagte ihren Abrechnungen zugrundelege.

Die Beklagte hat eine Mithaftung von 1/3 wegen Nichtanlegen des Gurtes eingewandt. Nach ihrem Vorbringen wären mit Gurt die Kopfverletzungen, die Rippenserienfraktur und die Unterschenkel- und Außenknöcheltrümmerfraktur vermieden worden. Lediglich eine Beckenverletzung und ein kleiner Hämatothorax wären wohl auch mit Gurt eingetreten. Daneben seien die unfallunabhängigen Ursachen für die Beschwerden der Klägerin zu berücksichtigen.

Wegen weiterer Einzelheiten des von der Klägerin verfolgten Anspruchs, des zugrunde liegenden Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien sowie wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

Das LG hat nach Einholung eines interdisziplinären schriftlichen Gutachtens der Sachverständigen Dr. L. und Dr. R. der Klage - mit Abstriche...

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