Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellung. Anfechtung eines Testaments

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Pflichtteilsberechtigter ist übergangen, wenn ihn der Erblasser in der letztwilligen Verfügung nicht bedacht hat, aber auch nicht von der Erbfolge ausschließen wollte.

2. Nach Auffassung des Senats schließt jedenfalls eine Erbeinsetzung des Pflichtteilsberechtigten zu einem nicht völlig geringfügigen Erbteil die Anwendung von § 2079 BGB aus. Schon der Wortlaut der Vorschrift deutet darauf hin, daß übergangen nur ist, wem nichts zugewendet wurde.

 

Normenkette

BGB §§ 2067, 2079, 2269

 

Verfahrensgang

LG Baden-Baden (Urteil vom 10.01.1994; Aktenzeichen 2 O 18/94)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 10. Januar 1994 – 2 O 18/94 – wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 18.000,00 abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Sicherheit kann auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland zur Zoll- und Steuerbürgschaft zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden.

4. Die Beschwer der Klägerin beträgt DM 140.000,00.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung, Alleinerbin der am 21.11.1992 verstorbenen Frau Anna B. geborene M. – im folgenden Erblasserin genannt – geworden zu sein.

Die Erblasserin und ihr am 11.02.1990 verstorbener Ehemann hatten keine leiblichen Kinder.

Die Beklagten sind Verwandte des Ehemanns der Erblasserin.

Am 29.12.1964 errichteten die Erblasserin und ihr Ehemann vor dem Notariat Baden-Baden ein gemeinschaftliches Testament – 2 H 1514/64 –, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten (I 15 – 19).

Am 20.12.1983 errichteten die Erblasserin und ihr Ehemann in handschriftliches Testament, das sie mit den Worten „Unser letzter Wille. Nachtrag zum Testament vom 29.12.1964” überschrieben. In Abschnitt I der Urkunde bekräftigten sie, das gemeinschaftliche Testament vom 29.12.1964 solle nach wie vor Gültigkeit haben. Der wesentliche Inhalt der folgenden Abschnitte lautet wie folgt:

„II. In Vollzug des genannten Testamentes wird der Längstlebende von uns uneingeschränkter Alleinerbe.

III. Nach dem Tode des Längstlebenden soll dann unser Nachlaß im Wege der Vor- und Nacherbschaft wie folgt verteilt werden:

  1. Das Hausgrundstück … soll je zur Hälfte in die Verwandtschaft von uns beiden aufgeteilt werden;
  2. Das Pappelgrundstück … soll zu Alleineigentum erhalten, wer auf die gesetzliche Dauer die Pflege unserer Gräber übernimmt.
  3. Die Grundstücke … sollten in die Verwandtschaft von Theodor B. fallen.
  4. Folgendes Inventar soll in die Verwandtschaft Theodor B. fallen: 2 Intarsien-Bilder … erhält demnach Herr Wilfried Z. …
  5. Folgendes Inventar soll in die Verwandtschaft von Anna B. geb. M. fallen:
  6. Das Grundstück … soll in die Verwandtschaft von
  7. Das restliche nicht genannte Vermögen und Inventar, insbesondere unsere Ersparnisse nach Abzug Beisetzungskosten, soll zu gleichen Teilen auf die Verwandtschaft von uns aufgeteilt werden.”

Wegen der Einzelheiten wird auf die Kopie (AS I 21-25) Bezug genommen.

Am 09.07.1992 errichtete die Erblasserin ein handschriftliches Testament (I, 27), dessen wesentlicher Inhalt lautet:

„Johanna R. nehme ich als Adoptivtochter an. Sie soll das Haus bekommen für Ihre Pflege.”

Am 17.07.1992 errichtete die Erblasserin, die sich zu diesem Zeitpunkt in stationärer Behandlung in der Stadtklinik … befand, vor dem Notariat Rastatt – 2 UR 1933/92 – ein öffentliches Testament, dem sie die Erklärung voranschickte, sie sei weder durch einen Erbvertrag noch durch ein gemeinschaftliches Testament in ihrer Testierfreiheit eingeschränkt und habe andere letztwillige Verfügungen ebenfalls nicht getroffen. Der wesentliche Inhalt dieses Testaments ist die Erbeinsetzung der Klägerin als Alleinerbin (I 7/9).

Am 26.10.1992 stellten die Erblasserin, die seit ihrem Krankenhausaufenthalt bei der Klägerin wohnte und von dieser gepflegt wurde, und die Klägerin in notarieller Form den Antrag auf Annahme der Klägerin als Kind.

Nach dem Tod der Erblasserin am 21.11.1992 betrieb die Klägerin die Fortsetzung des Adoptionsverfahrens. Mit Beschluß des Amtsgerichts Rastatt vom 02.02.1993 wurde die Annahme der Klägerin als Kind der Erblasserin ausgesprochen.

Mit Schriftsatz vom 11.02.1993 erklärte die Klägerin gegenüber dem Notariat Baden-Baden – 2 GR N 752/92 – die Anfechtung der in den gemeinschaftlichen Testamenten vom 29.12.1964 und 20.12.1983 enthaltenen letztwilligen Verfügungen der Erblasserin.

Die Beklagten beantragten mit Schriftsatz vom 12.03.1993, den Adoptionsbeschluß des Amtsgerichts Rastatt aufzuheben. Diesen Antrag hat das Amtsgericht Rastatt mit Beschluß vom 26.05.1993 – 9 XVI 13/92 – zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei infolge der von ihr erklärten Anfechtung Alleinerbin der Erbl...

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