Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Nutzungsentschädigung des geschiedenen Ehegatten für die Alleinnutzung einer Eigentumswohnung. Anrechnung des Wohnvorteils. Rückführung eines Darlehens

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach der Scheidung hat der Ehegatte, der aus der im gemeinsamen Eigentum stehenden Wohnung ausgezogen ist, in der Regel einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung in Höhe des hälftigen Wohnwerts gegen den anderen Ehegatten, der in der Wohnung verblieben ist.

2. Der Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung wird nicht ohne weiteres dadurch ausgeschlossen, dass (vor der Geltendmachung des Anspruchs) eine Unterhaltsklage des in der Wohnung verbliebenen Ehegatten mit der Begründung abgewiesen wurde, der Ehegatte sei nicht bedürftig, weil ihm ein Wohnvorteil zugute komme.

3. Nimmt ein Ehegatte ein Darlehen auf, um damit zur Finanzierung einer gemeinsamen Eigentumswohnung beizutragen, so erwächst daraus - ohne eine ausdrückliche Vereinbarung der Ehegatten - nach der Scheidung in der Regel kein Anspruch gegen den anderen Ehegatten, sich an der Rückführung des Darlehens hälftig zu beteiligen.

 

Normenkette

BGB § 745 Abs. 2, § 743 Abs. 1, § 812 Abs. 1 S. 1, § 267 Abs. 1, § 426 Abs. 1, §§ 748, 1363, 313

 

Verfahrensgang

LG Waldshut-Tiengen (Urteil vom 28.04.2006; Aktenzeichen 2 O 160/05)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 21.07.2010; Aktenzeichen XII ZR 104/08)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Waldshut-Tiengen vom 28.4.2006 - 2 O 160/05 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Nutzungsentschädigung zu zahlen, und zwar i.H.v. 160,75 EUR für Juni 2005 und eine monatliche Nutzungsentschädigung i.H.v. 293,92 EUR, fällig jeweils bis zum 03. des jeweiligen Monats im Voraus, für die Zeit ab Juli 2005.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

I. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

IV. Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen tragen der Kläger zu 1/10, die Beklagte zu 9/10.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können eine Vollstreckung der jeweiligen Gegenseite abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

VI. Die Revision wird hinsichtlich der Widerklage zugelassen. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des LG Waldshut-Tiengen verwiesen mit folgenden Ergänzungen:

Die - inzwischen geschiedenen - Parteien haben am 13.11.1992 geheiratet. Im Jahr 1993 haben die Parteien eine Eigentumswohnung zum Preis von 372.000 DM erworben; beide sind bis heute jeweils hälftige Miteigentümer dieser Wohnung.

Der Wohnwert dieser Wohnung, die seit der Trennung im Jahr 1998 von der Beklagten allein genutzt wird, ist unstreitig. Die Parteien gehen davon aus, dass der Netto-Nutzwert der Wohnung (übliche Netto-Miete einschließlich der Miete für die Stellplätze, abzgl. derjenigen Kosten, die üblicherweise nicht auf Mieter umlegbar sind) 587,84 EUR monatlich beträgt (vgl. die Erklärungen der Parteien im Termin vom 29.11.2007 (II 211)).

Der Kläger verlangt von der Beklagten mit seiner Klage Nutzungsentschädigung in Höhe des hälftigen Wohnwerts der Eigentumswohnung. Die Beklagte verlangt - widerklagend - von dem Kläger, dass dieser sich an der Tilgung eines Darlehens beteilige, welches von den Eltern der Beklagten zum Erwerb der Eigentumswohnung gewährt wurde.

Der Kläger ist arbeitslos. Vom 24.5.2004 bis zum 31.12.2004 bezog er wöchentlich Arbeitslosengeld i.H.v. 196,21 EUR. Im Januar 2005 erhielt der Kläger Arbeitslosengeld-IV-Leistungen i.H.v. 322 EUR; seit Februar 2005 bezieht er monatlich 345 EUR Arbeitslosengeld II, wobei allerdings die Kosten der Unterkunft gesondert bezahlt werden (vgl. den Bescheid des Landratsamts Waldshut-Tiengen vom 2.6.2005, vorgelegt als Anlage zum Schriftsatz des Kläger-Vertreters vom 10.10.2005, enthalten im PKH-Heft I des Klägers).

Die Beklagte hat in einem Verfahren vor dem AG - FamG - Waldshut-Tiengen (6 F 124/00 U) von dem Kläger Zahlung von Ehegattenunterhalt für die Zeit nach der Scheidung verlangt. Mit Urteil vom 15.6.2004 hat das AG Waldshut-Tiengen diese Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das FamG ausgeführt, der Unterhaltsbedarf der Beklagten sei durch die ihr zur Verfügung stehenden Nettoeinkünfte bereits gedeckt. Bei der Unterhaltsberechnung ist das FamG von einem - damaligen - Arbeitslosengeld des Klägers i.H.v. monatlich 1.509,58 EUR ausgegangen, welches allerdings ab Juni 2004 weiter reduziert worden sei. Das FamG hat festgestellt, dass dem Kläger keine reale Möglichkeit zur Verfügung stehe, eine Arbeitsstelle zu finden, bei der er höhere Einkünfte erzielen könne. Unter Berücksichtigung der beiderseitigen Einkünfte ergebe sich für die Zeit bis Mai 2004 ein Unterhaltsbe...

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