Leitsatz (amtlich)

1. Verlangt die eine Immobilienanlage finanzierende Bank oder Bausparkasse von dem Anleger den Beitritt zu einem Mietpool, obwohl sie damit rechnen muss, dass die dem Anleger versprochenen Mietpoolausschüttungen nicht auf nachhaltigen Einnahmen beruhen, haftet sie dem Anleger aus dem Gesichtspunkt des aufklärungspflichtigen Wissensvorsprungs.

2. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht liegt bereits dann vor, wenn die finanzierende Bank auf Grund einfacher Überlegungen die vorsätzlich falsche Kalkulation der Vertriebsbeauft-ragten erkennen musste. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die erzielte Rohmiete des Anlageobjekts nach den kaufmännischen Regeln der Wohnungswirtschaft unter Berücksichtigung etwaiger Zahlungen der Anleger auf die nicht umlagefähigen Kosten für die Objektverwaltung und der vom Mietpool zu tragenden Betriebskosten und Risiken nicht zur Deckung der versprochenen Ausschüttungen ausreicht.

3. Zu den Anforderungen an die Widerlegung der bei institutionalisiertem Zusammenwirken der finanzierenden Bank bzw. Bausparkasse mit der Verkäuferseite bestehenden Vermutung ihres Wissensvorsprungs.

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 07.10.2008; Aktenzeichen 10 O 635/07)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 07.10.2008 - 10 O 635/07 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt aufgehoben und wie folgt geändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 1.584,28 EUR zuzüglich 4 % Zinsen hieraus seit dem 20.06.2008 zu zahlen, Zug um Zug gegen kostenneutrale Abgabe sämtlicher Erklärungen, die zur Übertragung des im Wohnungsgrundbuch von O., Blatt 6010 des AG O., eingetragenen Wohnungseigentums, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 14 nebst einem Abstellraum im Spitzboden, der mit derselben Nummer im Lageplan bezeichnet ist, sowie verbunden mit dem Sondernutzungsrecht an dem mit gleicher Nummer im Stellplatzplan bezeichneten oberirdischen PKW-Abstellplatz, mit sämtlichen im Grundbuch eingetragenen und nicht eingetragenen Belastungen und Beschränkungen, auf die Beklagte erforderlich sind.

2. Die Beklagte wird verurteilt, weitere 2.237,56 EUR zuzüglich 4 % Zinsen hieraus seit dem 20.06.2008 zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass der Beklagten aus dem Darlehensvertrag vom 17.12.1998 (Kontonr...) keine Ansprüche gegen die Kläger mehr zustehen.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern über den Antrag Ziffer 1 hinaus sämtliche entstandenen und künftig noch entstehenden Schäden zu ersetzen, die auf dem Erwerb der in Ziffer 1 bezeichneten Immobilie beruhen.

5. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte im Verzug mit der Annahme des Angebots zur Übertragung des vorbezeichneten Eigentums befindet.

6. Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge tragen die Kläger 17 % und die Beklagte 83 %.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird für die Kläger zugelassen.

V. Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 122.673,11 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Kläger, heute geschiedene Eheleute, verlangen von der beklagten Bausparkasse Schadensersatz wegen vorvertraglicher Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Finanzierung einer noch zu errichtenden und zu vermietenden Eigentumswohnung.

Der Kläger, ein damals 32-jähriger Krankenpfleger, und die Klägerin, seine damalige 29-jährige Ehefrau, die gemeinsam über ein Bruttojahreseinkommen von 45.600 DM verfügten, wurden im November 1998 von einem Untervermittler der H. & B. GmbH, die der H. & B.-Firmengruppe (im Folgenden: H & B) zugehörte, geworben, zum Zwecke der Steuerersparnis ohne Eigenkapital eine Eigentumswohnung in O. zu erwerben. Die H & B vertrieb seit dem Jahre 1990 in großem Umfang von der Beklagten finanzierte Anlageobjekte.

Im Verlaufe der Besprechungen erhielten die Kläger einen Besuchsbericht zur Berechnung der monatlichen Belastung durch Zinsen und Tilgung ausgehändigt (Anlage K 22), in dem bei der Liquiditätsbetrachtung Aufwendungen für Instandhaltung/-setzung und Gebühren für die Mietpool- und die WEG-Verwaltung von 93 DM sowie die den Aufwand mindernde "Vorauszahlung auf Mietpoolausschüttung von z. Zt." 452 DM ausgewiesen sind. Die Kläger unterschrieben am 22.11.1998 neben einem Darlehensantrag mit Vollmacht zum Abschluss von zwei Bausparverträgen bei der Beklagten über 91.000 DM und 90.000 DM (Anlage K 17) u.a. auch eine "Vereinbarung über Mietenverwaltung" (Beitritt zur Mietpoolgemeinschaft) mit der ebenso zur H & B-Gruppe gehörenden HMG, die damals - bis zu ihrer Insolvenz im Jahr 2000 - die Mietpoolverwaltung innehatte (Anlage K 28).

Mit notarieller Urkunde vom 4.12...

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