Entscheidungsstichwort (Thema)

Versicherungsschutz in der Kfz-Vollkaskoversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bleibt ein Grillhähnchen-Verkaufswagen beim Vorbeifahren an einer Hausecke hängen, weil sich die seitliche Verkaufsklappe während der Vorbeifahrt geöffnet hat, handelt es sich um ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis im Sinne von A.2.3.2 AKB 2008, also um einen Unfall im Sinne der Vollkaskoversicherung.

2. Die Regelung in den Versicherungsbedingungen, wonach "Schäden aufgrund eines Brems- oder Betriebsvorgangs nicht als Unfallschäden gelten" enthält keine Ausschlussklausel. Die Regelung hat lediglich deklaratorischen Charakter.

3. Für den Versicherungsschutz in der Vollkaskoversicherung spielt es keine Rolle, ob der Versicherungsnehmer die Verkaufsklappe des Fahrzeugs vor Fahrtantritt fahrlässig unzulänglich befestigt hat. Denn die Vollkaskoversicherung gewährt Versicherungsschutz gerade in den Fällen, in denen der Versicherungsnehmer fahrlässig zum Unfallereignis beigetragen hat.

 

Normenkette

AKB 2008 A. 2.3

 

Verfahrensgang

LG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen 14 O 378/18)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 26.03.2019 - 14 O 378/18 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil des Senats und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht aus übergegangenem Recht Ansprüche aus einer Vollkaskoversicherung geltend.

Der Zedent, J. W., war Leasingnehmer eines Grillhähnchen-Verkaufswagens der Marke Fiat Ducato. Leasinggeber und Eigentümer des Fahrzeugs war die C. F. Service GmbH. Der Zedent hatte mit der Beklagten für das Fahrzeug einen Kraftfahrt-Versicherungsvertrag abgeschlossen, der eine Vollkasko-Versicherung mit 500,00 EUR Selbstbeteiligung einschloss. Zum Versicherungsschutz war in den Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung - Stand 01.09.2010 - (AKB) Folgendes vereinbart:

A.2.3 Welche Ereignisse sind in der Fahrzeugvollversicherung versichert?

Versicherungsschutz besteht bei Beschädigung, Zerstörung, Verlust oder Totalschaden des Fahrzeugs einschließlich seiner mitversicherten Teile durch die nachfolgenden Ereignisse:

A.2.3.2 Unfall

Versichert sind Unfälle des Fahrzeugs. Als Unfall gilt ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis.

Nicht als Unfallschäden gelten insbesondere Schäden aufgrund eines Brems- oder Betriebsvorgangs oder reine Bruchschäden. Dazu zählen z. B. Schäden am Fahrzeug durch Rutschen der Ladung oder durch Abnutzung, Verwindungsschäden, Schäden aufgrund Bedienungsfehler oder Überbeanspruchung des Fahrzeugs und Schäden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug ohne Einwirkung von außen.

Am 12.07.2016 gegen 19:00 Uhr erlitt der Zedent mit dem Fahrzeug in U. einen Verkehrsunfall auf der G. Straße, indem er beim Vorbeifahren mit dem Fahrzeug die Ecke eines Wohnhauses streifte. Dadurch wurde die an der rechten Seite des Fahrzeugs befindliche Verkaufsklappe abgerissen und der hintere Teil des Fahrzeugs beschädigt. Durch den Anstoß wurde das Fahrzeug nach rechts abgelenkt und fuhr anschließend frontal gegen die Wand des nächsten Wohnhauses, wodurch die Fahrzeugfront stark eingedrückt wurde. Zur ersten Kollision war es gekommen, weil sich die Verkaufsklappe des hinteren Fahrzeugaufbaus geöffnet hatte, und der Wagen deshalb an der Hauswand hängen geblieben war.

Der vorgerichtlich beauftragte Sachverständige W. L. stellte fest, dass das Fahrzeug einen Totalschaden erlitten hatte. Er schätzte den Wiederbeschaffungswert auf 39.500,00 EUR netto, den Restwert auf 8.000,00 EUR netto. Diese Werte sind im Rechtsstreit unstreitig.

Nach dem Unfall gab der Zedent das Fahrzeug an den Leasinggeber zurück. Der Leasinggeber veräußerte das Fahrzeug für 8.000,00 EUR. Der Leasingvertrag wurde beendet und zwischen dem Leasinggeber und dem Zedenten abgerechnet.

Der Zedent machte Ansprüche aus der Vollkaskoversicherung gegen die Beklagte geltend. Diese zahlte einen Betrag in Höhe von 15.247,58 EUR. Der Zedent war der Meinung, dass ihm weitergehende Ansprüche aus der Vollkaskoversicherung gegen die Beklagte zustanden und trat diese mit einer schriftlichen Vereinbarung vom 07.06.2017 (Anlage 9) an die Klägerin ab. Bei der Klägerin handelt es sich um ein zugelassenes Inkassounternehmen.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin von der Beklagten wegen des Unfalls vom 12.07.2016 aus übergegangenem Recht von der Beklagten weitere 15.752,42 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten verlangt. Die restliche Forderung ergebe sich aus dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs in Höhe von 39.500,00 EUR nach Abzug des Restwertes in Höhe von 8.000,00 EUR, der Selbstbeteiligung in Höhe von 500,00 EUR und der Teilzahlung der Beklagten von 15.247,58 EUR.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, die A...

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