Leitsatz (amtlich)

1. Der Vollzug einer Akteneinsicht führt zur Erledigung der angefochtenen Bewilligung der Akteneinsicht. Die Vollziehung der Anordnung, eine Urteilsabschrift zu übersenden, ist als solche tatsächlich nicht rückgängig zu machen. Es besteht keine Grundlage dafür, dass eine Justizverwaltungsbehörde des Landes einen Dritten zur Rückgabe oder Vernichtung eines in dessen Besitz befindlichen Schriftstücks verpflichten könnte.

2. Grundsätzlich ist es mit Rücksicht auf die Bedeutung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung geboten, jedenfalls eine unvollständig anonymisierte Fassung eines Urteils an Dritte nur herauszugeben, wenn zuvor dem Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme geben worden ist.

3. Zum (fehlenden) berechtigten Interesse, trotz der Erledigung die Rechtswidrigkeit gerichtlich feststellen zu lassen, wenn der Betroffene dem Dritten durch Verzicht auf die Wahrung des Steuergeheimnisses eben jenen Zugang zu den Steuer- und Strafakten gewährt, der Eingang in das unvollständig anonymisierte Urteil gefunden haben soll.

 

Tenor

1. Die Anträge der Antragsteller gegen die mit Verfügung des Landgerichts Karlsruhe vom 27. März 2018 bewilligte Erteilung einer Abschrift des Urteils des Landgerichts Karlsruhe vom 26. Juli 2017, Az. 20, werden zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

3. Der Geschäftswert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragssteller wenden sich mit ihren Feststellungs-, Anfechtungs- und auf Folgenbeseitigung gerichteten Verpflichtungsanträgen dagegen, dass der Antragsgegner eine Abschrift eines Urteils, das in einem von der Antragstellerin zu 1 geführten Zivilrechtsstreit ergangen ist, einem daran nicht beteiligten Dritten erteilt hat.

Gegenstand des Zivilrechtsstreits, der vor dem Landgericht Karlsruhe unter dem Aktenzeichen [...] geführt wurde, war eine Klage der Antragstellerin zu 1 auf Schadensersatz aus abgetretenem Recht u.a. des Insolvenzverwalters der [A.] GmbH (vormals [A'.] GmbH; kurz [A.] oder [A'.]) und deren ehemaligen Geschäftsführers, des Antragstellers zu 2, gegen die Rechtsnachfolgerin der [B.] AG (kurz [B.]) und mehrere ehemalige leitende Personen von [B.] und ein verbundenes Unternehmen. Die Klage war darauf gestützt, dass im Wege eines Vergleichs vom 23. Dezember 2003 vereinbarte Zahlungen (betreffend eine Lieferung von CD- und DVD-Produktionsmaschinen von [B.] an [A.]/[A'.]) durch [B.] steuerlich anders behandelt worden waren als durch [A.]/[A'.]. Daraufhin hatten die Finanzbehörden ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Geschäftsführer von [A.], u.a. den Antragsteller zu 2, eingeleitet. Die Strafverfolgungsbehörden ordneten im Februar 2007 einen dinglichen Arrest in das Vermögen von [A.] und Pfändungen von Forderungen des Unternehmens an. Nachdem [A.] Insolvenzantrag gestellt hatte und ein Sanierungsversuch erfolglos geblieben war, sollte mit dem Klageverfahren Schadensersatz von [B.] und deren Verantwortlichen wegen angeblich unrichtiger Darstellung des Vorgangs gegenüber dem zuständigen Finanzamt erlangt werden. Die Beklagten jenes Zivilrechtstreits traten der Klage mit Erkenntnissen entgegen, die sie aus einer ihnen durch das Landgericht [Y.] gewährten Einsicht in die Steuerstrafakten erlangt hatten.

Am 18. Juli 2017 legte die Antragstellerin zu 1 dem Landgericht Karlsruhe einen Beschluss des Oberlandesgerichts [Z.] [...] vor. Darin wurde auf Antrag des hiesigen Antragstellers zu 2 die Rechtswidrigkeit der vom Landgericht [Y.] gewährten Akteneinsicht festgestellt und diese aufgehoben. Das Landgericht Karlsruhe wies die Klage mit Urteil vom 26. Juli 2017 ab. In den Gründen führte es u.a. aus, die aus der Akteneinsicht im Strafverfahren gegen die Zedenten erlangten Urkunden unterlägen als Beweismittel in dem Rechtsverhältnis der [A'.] [[A.]] zur [B.] keinem Beweisverwertungsverbot.

Die Antragstellerin zu 1 erhob am 2. März 2018 beim Landgericht [Y.] eine weitere Klage auf Schadensersatz aus abgetretenem Recht, nunmehr gegen das Land [X.] (nachfolgend Land [X.]), in der sie ein amtspflichtwidriges Verhalten einzelner Vertreter der Finanz- und Strafverfolgungsbehörden im Zusammenhang mit den gegen [A.] ergriffenen Arrest- und Pfändungsmaßnahmen geltend macht. Das Land [X.] hat dort darauf hingewiesen, dass ihm wegen des Steuergeheimnisses (§ 30 AO) der Zugang zu den Akten der Finanzverwaltung und des Steuerstrafverfahrens verwehrt sei.

Mit Schriftsatz vom 26. März 2018 (im Anlagenkonvolut ASt 6) baten die Prozessbevollmächtigten des Lands [X.] das Landgericht Karlsruhe um Übersendung einer Kopie dessen Urteils vom 26. Juli 2017 ([...]). Zur Begründung führten sie aus, sie verträten das Land [X.] in einem Gerichtsverfahren beim Landgericht [Y.], welches die hiesige Antragstellerin zu 1 gegen das Land anhängig gemacht habe, und beide Verfahren beruhten im Wesentlichen auf dem gleichen Sachverhalt. Das Gesuch wurde - entsprechend der Übertragung der Aufgaben nach § 299 Abs. 2 ZPO auf die jeweiligen Vorsitzenden ...

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