Entscheidungsstichwort (Thema)

Parteiwechsel im selbständigen Beweisverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Parteiwechsel auf Antragstellerseite im selbständigen Beweisverfahren ist generell sachdienlich - und daher ohne Zustimmung des Gegners zulässig -, wenn die streitige Forderung, zu deren Voraussetzungen Beweis erhoben werden soll, an den neuen Antragsteller abgetreten wurde.

2. § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO (kein Eintritt eines Rechtsnachfolgers in den Prozess ohne Zustimmung des Gegners) findet im selbständigen Beweisverfahren keine Anwendung, wenn kein schutzwürdiges Interesse des Gegners ersichtlich ist, das dem Parteiwechsel entgegensteht.

3. Deklaratorische Beschlüsse des LG im ersten Rechtszug, mit denen festgestellt wird, das Verfahren sei unterbrochen oder sei beendet, sind mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar.

4. Für eine wirksame Zustellung ist ein Zustellungswille des Gerichts erforderlich. Die Zustellung einer gerichtlichen Entscheidung an einen Prozessbevollmächtigten hat für die von dem Rechtsanwalt vertretene Partei keine Wirkungen - und setzt keine Frist in Lauf -, wenn das Gericht - für die Beteiligten erkennbar - die Entscheidung nicht dieser Partei zustellen will, sondern einer anderen Person, die vom selben Anwalt vertreten wird.

 

Normenkette

ZPO §§ 189, 240, 263, 265 Abs. 2 S. 2, §§ 485, 567, 569

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Beschluss vom 02.10.2013; Aktenzeichen 4 OH 3/12 D)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des LG Konstanz vom 2.10.2013 - 4 OH 3/12 D - (Feststellung einer Unterbrechung des Verfahrens gem. § 240 ZPO) aufgehoben.

2. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des LG Konstanz vom 15.4.2014 - 4 OH 3/12 D - (Feststellung einer Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens) aufgehoben.

3. Das LG Konstanz wird angewiesen, dem selbständigen Beweisverfahren Fortgang zu geben.

4. Die sofortige Beschwerde von Rechtsanwalt M. F. als Insolvenzverwalter über das Vermögen der M. GmbH gegen den Beschluss des LG Konstanz vom 15.4.2014 - 4 OH 3/12 D - wird als unzulässig verworfen.

5. Eine Gerichtsgebühr wird für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben.

 

Gründe

I. Die Antragsgegner sind Eigentümer des Hotels "C." in M.. Das Hotel wurde im Auftrag der Antragsgegner von der früheren Antragstellerin, der M. GmbH, in den Jahren 2010 und 2011 umgebaut. Über einen restlichen Werklohn i.H.v. 609.894,58 EUR entstand zwischen den Beteiligten Streit.

Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 6.7.2012 beantragte die frühere Antragstellerin beim LG Konstanz die Durchführung eines Beweissicherungsverfahrens. Ein Sachverständiger solle die tatsächlichen Grundlagen der streitigen Schlussrechnung vom 20.7.2011 klären (Umfang der erbrachten Leistungen und Ortsüblichkeit der Preise). Am 22.8.2012 erließ das LG Konstanz antragsgemäß einen Beschluss, mit dem die Einholung eines schriftlichen Gutachtens angeordnet wurde. Zum Sachverständigen wurde Dipl.-Ing. R. B. in A. bestimmt. Am 20.12.2012 wurden die Akten nach Einzahlung des vom Gericht angeforderten Kostenvorschusses an den Sachverständigen übersandt.

Mit Schreiben vom 10.1.2013 äußerte der Sachverständige gegenüber dem Gericht Bedenken gegen den Gutachtenauftrag. Angesichts des Umfangs der streitigen Abrechnung sei seine Aufgabe als Sachverständiger nur dann wirtschaftlich lösbar, wenn die Anzahl der zu beurteilenden Positionen unter Bezeichnung der streitgegenständlichen Aspekte eingegrenzt werde. Es seien zudem entsprechende Fachgutachter von ihm hinzuzuziehen. Im Übrigen reiche der eingezahlte Kostenvorschuss nicht aus. Eine Entscheidung des LG im Hinblick auf die Bedenken des Gutachters (im Sinne einer Aufrechterhaltung des Gutachtenauftrags oder im Sinne einer Abänderung des Gutachtenauftrags) ist bis jetzt nicht erfolgt. Dementsprechend hat der Sachverständige seine Tätigkeit bis heute nicht aufgenommen.

Mit Schriftsatz vom 19.2.2013 teilte der Prozessbevollmächtigte der früheren Antragstellerin dem LG mit, dass diese die Werklohnforderung, deren Grundlagen durch das Beweissicherungsverfahren geklärt werden sollten, an Herrn W. K. abgetreten habe. Die Abtretung war Gegenstand einer schriftlichen Vereinbarung vom 9.11.2012 (AS. 137/139). Der Prozessbevollmächtigte führte im Schriftsatz vom 19.2.2013 weiter aus:

"Um entsprechende Berichtigung des Rubrums wird ersucht. Das selbständige Beweisverfahren möge fortgeführt werden."

Mit Beschluss des AG Konstanz vom 4.3.2013 wurde über das Vermögen der früheren Antragstellerin, der M. GmbH, das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde der weitere Beschwerdeführer, Rechtsanwalt M. F., bestimmt. In der Folgezeit entstanden zwischen den Beteiligten Meinungsverschiedenheiten, wer auf Antragstellerseite am Beweissicherungsverfahren beteiligt war, und wer ggf. auf Antragstellerseite befugt sei, das Verfahren weiterzuführen.

Mit Verfügung vom 3.9.2013 fragte das LG beim Insolvenzverwalter der früheren Antragstellerin an, ob dieser das Beweiss...

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