Leitsatz (amtlich)

Es entsteht keine Terminsgebühr, wenn die Parteien in Schriftsätzen die Hauptsache für erledigt erklären und das Gericht über die Kosten ohne mündliche Verhandlung entscheidet. Auch eine Rechtsanalogie zu RVG-VV 3104 Abs. 1 Nr. 1 und 2 und RVG-VV 3105 Abs. 1 Nr. 2 ist nicht möglich.

 

Normenkette

RVG-VV Nr. 3104; ZPO § 91a Abs. 1, § 128 Abs. 3-4

 

Verfahrensgang

AG Mannheim (Beschluss vom 04.04.2006; Aktenzeichen 5 F 119/05)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des AG - FamG - Mannheim vom 4.4.2006 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Beschwerdewert: bis zu 600 EUR.

 

Gründe

Die Parteien haben nach Abgabe einer dies rechtfertigenden Erklärung der Beklagten den Rechtsstreit - Klage auf Abänderung eines Unterhaltsurteils - übereinstimmend für erledigt erklärt. Das AG hat daraufhin einen bereits anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben und unter Anwendung der §§ 91a Abs. 1, 128 Abs. 3 (richtig wohl: Abs. 4) ZPO ohne mündliche Verhandlung beschlossen, die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen. Als von der Beklagten zu tragende Kosten möchte der Kläger auch eine Terminsgebühr festgesetzt sehen. Der Rechtspfleger hat dies mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss abgelehnt.

Das hiergegen eingelegte Rechtsmittel des Klägers hat keinen Erfolg.

1. Eine Terminsgebühr ist nicht angefallen, da ein Verhandlungstermin nicht durchgeführt wurde. Gemäß RVG-VV 3104 Abs. 1 Nr. 1 entsteht die Terminsgebühr zwar auch dann, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien oder gem. § 307 oder § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Die letztgenannten Voraussetzungen liegen ersichtlich nicht vor. Bei der erstgenannten Voraussetzung fehlt das Merkmal, dass eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Haben die Parteien in Schriftsätzen übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärt, kann das Gericht auch ohne Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung über die Kosten entscheiden. Die dies erlaubende Bestimmung des § 128 Abs. 4 ZPO übersieht der Kläger ganz offensichtlich.

2. Die vom Kläger zitierte Entscheidung des LG Stuttgart v. 1.2.2005 - 10 T 546/04, NJW 2005, 3152 betrifft den Fall des § 307 ZPO. Der dort aufgezeigte Widerspruch (s. dazu unten unter 4.a) aa) ist vom Gesetzgeber durch Streichung der Verweisung auf einen nicht mehr in § 307 ZPO enthaltenen Abs. 2 bereinigt worden.

3. Der Beschluss des BGH NJW 2006, 118 betrifft den schriftlichen Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO, für dessen Abschluss nach RVG-VV 3104 Abs. 1 letzte Alternative auch eine Terminsgebühr entstehen kann.

4. Auch eine Rechtsanalogie zu RVG-VV 3104 Abs. 1 Nr. 1 und 2, und RVG-VV 3105 Abs. 1 Nr. 2 kommt nicht in Frage.

a) Die dort geregelten Fälle haben zwar mit dem vorliegenden gemeinsam, dass nach früherem Recht eine mündliche Verhandlung obligatorisch war:

aa) Das Anerkenntnis konnte erstmals mit dem Gesetz zur Beschleunigung gerichtlicher Verfahren - Vereinfachungsnovelle - vom 3.12.1976, BGBl. I, 3281 im schriftlichen Vorverfahren abgegeben werden (§ 307 Abs. 2 ZPO a.F.). Die Vereinfachungsnovelle ergänzte gleichzeitig § 35 BRAGO - Verhandlungsgebühr in bestimmten Fällen bei Entscheidung ohne mündliche Verhandlung - durch Verweisung auf den damaligen § 307 Abs. 2 ZPO. § 35 BRAGO wurde in RVG-VV 3104 Abs. 1 Nr. 1 übernommen. Durch Art. 1 Nr. 9a des 1. Justizmodernisierungsgesetzes wurde mit Wirkung vom 1.9.2004 § 307 ZPO dahin geändert, dass das Anerkenntnis jederzeit, also auch außerhalb des schriftlichen Vorverfahrens schriftlich abgegeben werden und ein Anerkenntnisurteil nach sich ziehen kann. RVG-VV 3104 Abs. 1 Nr. 1 wurde zunächst nicht angepasst. Die Anpassung wurde mit Wirkung vom 21.10.2005 durch Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes vom 18.August 2005, BGBl. I S 2477 nachgeholt (vergl. für die Zwischenzeit LG Stuttgart v. 1.2.2005 - 10 T 546/04, NJW 2005, 3152)

bb) Mit der Einführung des Versäumnisurteils im schriftlichen Vorverfahren durch die Vereinfachungsnovelle (LG Stuttgart v. 1.2.2005 - 10 T 546/04, NJW 2005, 3152) wurde gleichzeitig § 35 BRAGO durch Verweisung auf § 331 Abs. 3 ZPO angepasst, eine Verweisung, die jetzt in RVG-VV 3105 Abs. 1 Nr. 2 enthalten ist.

cc) Der Vergleich im schriftlichen Verfahren - § 278 Abs. 6 ZPO - wurde eingeführt durch Art. 2 Nr. 41 des Zivilprozessreformgesetzes vom 27.7.2001, BGBl. I, 1887, 1890. Unter der Geltung der BRAGO konnte der Rechtsanwalt allein bei Abschluss des Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO eine Verhandlungsgebühr nicht verdienen. Die für diesen Fall vorgesehene Terminsgebühr wurde erst durch das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz eingeführt.

b) Auch die Erledigungserklärungen waren ab Einführung des Rechtsinstituts der Erledigung der Hauptsache durch § 4 einer Dritten Vereinfachungsverordnung vom 16.5.1942, RGBl. I S. 333, 334 in obligatorischer mündlich...

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