Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Für den objektiven Tatbestand des § 92 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. AuslG reicht es aus, dass die unrichtigen Angaben für das ausländerrechtliche Verfahren deshalb von Bedeutung sind, weil sie sich im Allgemeinen zur Verschaffung eines unrechtmäßigen Aufenthaltstitels eignen.

  • 2.

    § 92 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. AuslG ist kein nur für Ausländer geltendes Sonderdelikt. Die Vorschrift kann in ihrer fremdnützigen Begehungsvariante auch von Deutschen täterschaftlich verwirklicht werden.

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss des Landgerichts B vom 08. Dezember 2003 aufgehoben.

Das Hauptverfahren wird eröffnet. Die Anklage der Staatsanwaltschaft O vom 04. September 2003 wird mit der Maßgabe, dass der Angeschuldigte des Erschleichens von Aufenthaltsgenehmigungen nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. AuslG in 24 Fällen hinreichend verdächtig ist, zur Hauptverhandlung vor dem Landgericht - 2. Große Strafkammer - B zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Anklage der Staatsanwaltschaft O vom 04.09.2003 legt dem Angeschuldigten zur Last, sich wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern gemäß §§ 92 a Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Nr. 1, 92 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. AuslG in 24 Fällen strafbar gemacht zu haben. Nach dem Anklagesatz habe er als geschäftsführender Alleingesellschafter der Fa. H GmbH im Zeitraum von November 2000 bis März 2003 (richtig: 2002) in 24 näher bezeichneten Einzelfällen zur Erzielung einer dauerhaften und nicht unwesentlichen Erwerbsquelle, nämlich zum Preis von ca. 110,- US-Dollar pro Person, Einladungsschreiben für 34 angebliche Reisegruppen ukrainischer Staatsangehöriger gefertigt, mit welchen die deutsche Botschaft in Kiew/Ukraine gebeten worden seien, für die in den beigefügten Listen aufgeführten Reiseteilnehmer jeweils Touristenvisa für einen datumsmäßig festgelegten Aufenthalt in Deutschland von in der Regel zehn Tagen Dauer zu erteilen. Den Einladungsschreiben samt Teilnehmerlisten seien jeweils u. a. ein touristisches Aufenthaltsprogramm der Fa. H GmbH sowie die Reservierungsbetätigung eines Hotels aus der Umgebung für den angegebenen Reisezeitraum beigefügt gewesen. Diese Unterlagen habe der Angeschuldigte an seine Geschäftspartner in der Ukraine übersandt, die sie verabredungsgemäß zusammen mit den Visaanträgen der angeblichen Reiseteilnehmer der deutschen Botschaft in Kiew zur Erlangung von Touristenvisa vorgelegt hätten. Eine Umsetzung des vorgelegten Aufenthaltsprogramms und die Inanspruchnahme der reservierten Beherbergungsleistungen in dem genannten Umfang seien zu keinem Zeitpunkt von keinem der Beteiligten gewollt gewesen. Die Unterlagen hätten vielmehr allein dem Zweck gedient, bei den zuständigen Mitarbeitern der Botschaft den Eindruck zu erwecken, es sei für den genannten Zeitraum von den aufgelisteten Reiseteilnehmern eine touristische Reise mit detailliertem Aufenthaltsprogramm in Deutschland und geregelter Unterkunft in den angegebenen Hotels gebucht worden. Auf der Grundlage der unrichtigen Angaben seien von der deutschen Botschaft in Kiew für insgesamt 1194 ukrainische Staatsangehörige Touristenvisa erteilt worden.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht B die Eröffnung des Hauptverfahrens aus Rechtsgründen abgelehnt. Die Strafkammer ist der Auffassung, dass eine Strafbarkeit des Angeschuldigten ausscheide, weil bei der Beantragung der Touristenvisa für die Teilnehmer der 34 Reisegruppen keine unrichtigen oder unvollständigen Angaben im Sinne des § 92 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. AuslG gemacht worden seien. Hiergegen wendet sich die fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft.

Das zulässige (§ 210 Abs. 2 StPO) Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.

II.

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft führt unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses - mit der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Maßgabe - zur Eröffnung des Hauptverfahrens und Zulassung der Anklage der Staatsanwaltschaft O vom 04.09.2003 zur Hauptverhandlung vor dem Landgericht B . Entgegen der von der Strafkammer in ihrer Nichteröffnungsentscheidung vertretenen Auffassung ist der Angeschuldigte bei vorläufiger Tatbewertung auf Grund des in der Anklageschrift und dem Ermittlungsbericht der Gemeinsamen Ermittlungsgruppe Schleuser des Landeskriminalamts Baden-Württemberg und des Bundesgrenzschutzamts S vom 18.03.2003 dokumentierten Ergebnisses der kriminalpolizeilichen Ermittlungen hinreichend verdächtig, sich jedenfalls des gemeinschaftlich begangenen Erschleichens von Aufenthaltsgenehmigungen nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. AuslG in 24 Fällen schuldig gemacht zu haben.

1.

a)

Nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. AuslG macht sich unter anderem strafbar, wer unrichtige Angaben macht, um für einen anderen eine Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung zu beschaffen. Das Tatbestandsmerkmal der unrichtigen Angaben ist erfüllt, wenn der Täter in einem ausländerrechtlichen Verwaltungsverfahren zur Erlangung eines Aufenthaltstitels Angaben macht, welche mit der Wirklichkeit nicht üb...

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