Entscheidungsstichwort (Thema)

Verweisung eines Nachlassverfahrens durch das Amtsgericht Schöneberg aus wichtigem Grund

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Verweisung eines Nachlassverfahrens durch das Amtsgericht Schöneberg gemäß § 343 Abs. 3 Satz 2 FamFG ist grundsätzlich für das andere Gericht bindend.

2. Wegen der bindenden Wirkung der Verweisung sind die Voraussetzungen eines wichtigen Grundes im Sinne von § 343 Abs. 3 Satz 2 FamFG (anders als bei einer Abgabe nach § 4 FamFG) nicht zu prüfen, wenn es zwischen den beteiligten Gerichten zu einem negativen Kompetenzkonflikt kommt.

3. Es ist zumindest vertretbar (und daher nicht zu beanstanden), wenn das Amtsgericht Schöneberg bei einer Verweisung gemäß § 343 Abs. 3 Satz 2 FamFG keine umfassende einzelfallbezogene Zweckmäßigkeitsprüfung vornimmt, sondern sich allein darauf stützt, dass der einzige Nachlassgegenstand sich im Bezirk des anderen Gerichts befindet.

 

Normenkette

FamFG § 5 Abs. 1 Ziff. 4, § 343 Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Singen (Aktenzeichen 25 VI 1042/18)

AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 60 VI 406/18)

 

Tenor

Örtlich zuständiges Gericht für das Nachlassverfahren ist das Amtsgericht Singen.

 

Gründe

I. Mit Schriftsatz vom 25.05.2018 an das Amtsgericht - Nachlassgericht - Singen hat das Landratsamt Konstanz beantragt, für den am 20.08.2017 verstorbenen Erblasser den Erben zu ermitteln und gegebenenfalls die Erbschaft des Landes Baden-Württemberg gemäß § 1964 Abs. 1 BGB festzustellen. Der Erblasser lebte in der Schweiz und

verstarb dort. Im Bezirk des Amtsgerichts Singen befindet sich ein Grundstück, welches sich im Eigentum des Erblassers befand. Das Landratsamt Konstanz hat geltend gemacht, auf dem Grundstück befinde sich eine Vielzahl verschiedener unzulässiger Abfallablagerungen. Es sei notwendig, den Erben des Verstorbenen zu ermitteln, da der Erbe zur Beseitigung der Ablagerungen verpflichtet sei.

Mit Verfügung vom 02.07.2018 hat das Amtsgericht Singen die Nachlassakte dem Amtsgericht Schöneberg übersandt mit der Bitte, das Verfahren zu übernehmen. Das Amtsgericht Schöneberg hat mit Beschluss vom 18.07.2018 das Nachlassverfahren an das Amtsgericht Singen zurückverwiesen. Die Voraussetzungen für eine örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Schöneberg gemäß § 343 Abs. 1 bis 3 FamFG seien nicht ersichtlich. Zunächst sei vom Amtsgericht Singen zu prüfen, welche Staatsangehörigkeit der Erblasser hatte, wo er verstorben ist und welches der letzte inländische Aufenthalt war.

Vom Amtsgericht Singen wurden daraufhin Rückfragen beim Landratsamt Konstanz und bei den zuständigen schweizerischen Behörden Ermittlungen durchgeführt. Diese Ermittlungen führten zu dem Ergebnis, dass der Erblasser schweizerischer Staatsangehöriger war. Er verstarb in Schaffhausen (Schweiz). Dort hatte er seinen letzten Wohnsitz. Vom Einwohnermeldeamt in Schaffhausen wurde festgestellt, dass der Erblasser 1982 von Unterkulm (Kanton Aargau/Schweiz) zugezogen war. Weitere Ermittlungen bei der zuständigen Behörde in Unterkulm blieben erfolglos. Ein früherer Wohnsitz in Deutschland ließ sich nicht feststellen.

Mit Verfügung vom 17.10.2018 hat das Amtsgericht Singen das Nachlassverfahren erneut an das Amtsgericht Schöneberg abgegeben. Es sei nunmehr geklärt, dass der Erblasser zu keinem Zeitpunkt einen Wohnsitz in Deutschland gehabt habe.

Mit Beschluss vom 26.10.2018 hat das Amtsgericht Schöneberg sich gemäß § 343 Abs. 3 Satz 1 FamFG für zuständig erklärt und gleichzeitig die Sache aus wichtigem Grund nach § 343 Abs. 3 Satz 2 FamFG an das Amtsgericht Singen verwiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht Schöneberg darauf hingewiesen, dass sich die Nachlassgegenstände im Gerichtsbezirk des Amtsgerichts Singen befinden.

Mit Beschluss vom 08.11.2018 hat das Amtsgericht Singen sich für unzuständig erklärt und das Verfahren an das Amtsgericht Schöneberg verwiesen. Die Voraussetzungen

eines wichtigen Grundes gemäß § 343 Abs. 3 Satz 2 FamFG seien nicht gegeben. Nach erneuter Rücksendung der Akte durch das Amtsgericht Schöneberg hat das Amtsgericht Singen mit Beschluss vom 27.12.2018 das Nachlassverfahren dem Oberlandesgericht Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - zur Entscheidung gemäß § 5 FamFG vorgelegt.

II. Als örtlich zuständiges Gericht ist das Amtsgericht Singen zu erklären.

1. Die Voraussetzungen für eine gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit gemäß § 5 Abs. 1 Ziffer 4 FamFG liegen vor. Sowohl das Amtsgericht Schöneberg als auch das Amtsgericht Singen haben sich rechtskräftig für unzuständig erklärt. Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - für die Bestimmung der Zuständigkeit ergibt sich aus § 5 Abs. 2 FamFG.

2. Das Nachlassverfahren betrifft ein Feststellungsverfahren gemäß § 1964 BGB. Die Erben des in der Schweiz verstorbenen Erblassers stehen nicht fest. Das Nachlassgericht hat zu prüfen, ob ein Erbrecht des Fiskus in Betracht kommt; gegebenenfalls kommen Ermittlungen nach anderen Erben in Betracht, und sodann eine mögliche Feststellung der Staatserbfolge. Für dieses N...

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