Leitsatz (amtlich)

Die einem Rechtsanwalt ohne Verschulden gebotene Erkenntnis, dass die Statthaftigkeit der beabsichtigten sofortigen Beschwerde zweifelhaft ist, weil sie von obergerichtlicher Rechtsprechung zu Gunsten der Statthaftigkeit der Berufung in Abrede gestellt wird, muss diesen dazu veranlassen, das Rechtsmittel innerhalb von zwei Wochen (auch) beim Rechtsmittelgericht einzulegen, um sicher zu gehen, dass es - ob als sofortige Beschwerde oder als Berufung (ggf. nach Umdeutung) - die Frist wahrt.

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners (vormals Verfügungskläger) gegen das (Schluss-)Urteil des Landgerichts Mannheim vom 6. Oktober 2021, Az. 14 O 107/20, wird als unzulässig verworfen.

2. Die Kosten der sofortigen Beschwerde fallen dem Antragsgegner zur Last.

 

Gründe

Wegen des Sachverhalts und dessen rechtlicher Beurteilung wird auf die Gründe des Hinweis-Beschlusses des Senats vom 7. Februar 2022 Bezug genommen. Auch in Ansehung der Stellungnahmen der Parteien bleibt es bei der dortigen Bewertung, die nach Maßgabe der folgenden Ergänzungen weiterhin zutrifft.

1. Das Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde gemäß § 567 ZPO, als die es auszulegen ist, nicht statthaft. Auf die Gründe des Hinweisbeschlusses wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Diese setzen sich auch bereits mit den rechtlichen Gesichtspunkten auseinander, die in der daraufhin eingereichten Stellungnahme für die gegenteilige Ansicht des Antragsgegners angeführt werden. Insbesondere der Umstand, dass die angefochtene Entscheidung als Ergänzungsurteil im Sinn von § 321 ZPO allein die Kosten des Anordnungsverfahrens zum Gegenstand hat, spricht aus den bereits dort vom Senat ausgeführten Gründen bei der Bestimmung des statthaften Rechtsmittels weder für die sofortige Beschwerde noch für die Berufung, sondern ist unerheblich. Entgegen der Stellungnahme des Antragsgegners handelt es sich auch gerade nicht um eine Ergänzung der Kostenentscheidung, wie sie vorläge, wenn die Entscheidung über die Kosten des Aufhebungsverfahrens ergänzt worden wäre, sondern um eine Ergänzung hinsichtlich der Entscheidung über den Gegenstand des Aufhebungsverfahrens.

2. Eine Umdeutung der sofortigen Beschwerde in eine statthafte Berufung kommt auch unter Berücksichtigung des ergänzenden Sachvortrags in der Stellungnahme im Ergebnis nicht in Betracht.

Zwar gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in entsprechender Anwendung von § 140 BGB auch im Verfahrensrecht der Grundsatz, dass eine fehlerhafte Parteihandlung in eine zulässige, wirksame und vergleichbare umzudeuten ist, wenn deren Voraussetzungen eingehalten sind, die Umdeutung dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegensteht (vgl. nur BGH, NJW 2001, 1217, 1218 mwN). Diese Voraussetzungen sind hier aber nicht erfüllt, weil das Rechtsmittel als Berufung zwar statthaft, aber nicht zulässig eingelegt wäre. Es ist - wie der Senat im Hinweisbeschluss ausgeführt hat - nicht innerhalb der Berufungsfrist beim Berufungsgericht eingegangen. Ein mutmaßlicher Parteiwille dahin, anstelle der unstatthaften Beschwerde eine Berufung durchzuführen, obwohl diese vom Rechtsmittelgericht wegen Fristversäumung als unzulässig zu verwerfen wäre, ist nicht anzunehmen. Die solche Behandlung als (unzulässige) Berufung brächte dem Antragsgegner lediglich höhere Kosten, ohne hinsichtlich deren Verwerfung, die (nur) nach allgemeinen Regeln der Rechtsbeschwerde nach § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO unterläge, einen weitergehenden Instanzenzug zu eröffnen (siehe § 542 Abs. 2 Satz 1, § 574 Abs. 1 Satz 2 ZPO; vgl. BGH, GRUR 2017, 938 Rn. 38 - Teststreifen zur Blutzuckerkontrolle II) oder wenigstens eine mündliche Verhandlung vor dem Rechtsmittelgericht erforderlich zu machen (siehe § 128 Abs. 4, § 522 Abs. 1 Satz 3 ZPO).

a) Zutreffend weist die Stellungnahme des Antragsgegners allerdings darauf hin, dass bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Berufung (als denkbares Ziel der Umdeutung) die Grundsätze der Wiedereinsetzung zu berücksichtigen sind. Bestünde hinsichtlich der versäumten Berufungseinlegung Aussicht auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO, so würde sich die mutmaßliche Interessenlage anders darstellen. Dann wäre im Zweifel davon auszugehen, dass eine - dann nicht schon an der Zulässigkeit scheiternde - Berufung mutmaßlich gewollt wäre. Solange der Antragsgegner die Unzulässigkeit der eingelegten sofortigen Beschwerde noch nicht erkannt hatte, hatte er freilich noch keinen Anlass, tatsächliche Gründe für eine Wiedereinsetzung hinsichtlich einer Berufung vorzubringen, sodass bei Erlass des Hinweis-Beschlusses des Senats Erfolgsaussichten für eine (gegebenenfalls von Amts wegen zu gewährende) Wiedereinsetzung (noch) nicht vorliegen konnten. Auch deshalb hat der Senat dem Antragsgegner mit dem Hinweis-Beschluss die Versäumung der Frist für das statthafte Rechtsmittel der Berufung aufgezeigt, was ihm die Gelegenheit eröffnet hat, die Grün...

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