Entscheidungsstichwort (Thema)

Arglistiger Verkauf bei unterlassener Sichtprüfung - Nachlackierung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist ein Gebrauchtfahrzeug erkennbar in bestimmten Bereichen nachlackiert worden, so ist dies für einen Kraftfahrzeughändler in der Regel ein Hinweis auf die Möglichkeit eines reparierten Unfallschadens.

2. Veräußert ein Kraftfahrzeughändler ein nachlackiertes Fahrzeug, muss er den Kaufinteressenten in der Regel auf die nachlackierten Stellen und den sich daraus ergebenden Unfallverdacht hinweisen. Verschweigt der Händler diese Umstände, kommt eine arglistige Täuschung i.S.v. § 123 Abs. 1 BGB in Betracht.

3. Ein Kraftfahrzeughändler, der einen Gebrauchtwagen hereinnimmt, ist vor einer Weiterveräußerung verpflichtet, das Fahrzeug - mindestens - durch eine einfache Sichtprüfung, bei der Nachlackierungen festgestellt werden, auf mögliche Unfallschäden zu untersuchen. Das Unterlassen einer Sichtprüfung kann den Vorwurf der Arglist begründen, wenn nach der Veräußerung an einen Dritten ein Unfallschaden festgestellt wird.

4. Ein größeres Kfz-Handelsunternehmen muss durch eine entsprechende Organisation sicherstellen, dass beim Ankauf bzw. bei der Inzahlungnahme von Gebrauchtwagen mögliche Unfallschäden - mindestens - durch eine einfache Sichtprüfung festgestellt und dokumentiert werden. Die Feststellungen müssen an die Verkaufsberater des Unternehmens weitergegeben werden. Verzichtet das Unternehmen auf eine solche Organisation, kann der Vorwurf der Arglist den Geschäftsführer bzw. Niederlassungsleiter treffen, wenn der Käufer eines Gebrauchtwagens nachträglich einen Unfallschaden feststellt.

 

Normenkette

BGB § 123 Abs. 1

 

Tenor

1. Der Senat erwägt eine Zurückweisung der Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO.

2. Vor einer Entscheidung des Senats erhalten die Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen.

 

Gründe

I. Am 9.8.2005 erwarb die Klägerin bei der Niederlassung der Beklagten in F.. einen gebrauchten Pkw Mercedes Benz Espania V 230 zum Preis von 9.500 EUR. Die Klägerin verlangt Rückabwicklung des Kaufvertrages. Sie hat durch Schreiben ihres Rechtsanwalts vom 24.11.2006 den Kaufvertrag angefochten, weil ein Unfallschaden von der Beklagten bzw. von deren Mitarbeitern vor Abschluss des Kaufvertrages arglistig verschwiegen worden sei.

Die Beklagte hatte das betreffende Fahrzeug in ihrer Niederlassung in F.. bereits im März 2004 von einem anderen Kunden in Zahlung genommen. Für die Abwicklung dieses Vorgangs war bei der Beklagten der Zeuge P., ein damaliger Mitarbeiter, verantwortlich. Am 29.10.2004 wurde das Fahrzeug zunächst an den Kunden N. K. verkauft. Für den Verkauf war bei der Beklagten der Verkaufsberater M. in der Niederlassung F.. verantwortlich. In den vorformulierten Kaufvertrag hatte der Zeuge M. handschriftlich den Zusatz eingefügt: "Fahrzeug wurde nachlackiert".

Am 30.3.2005 wurde das selbe Fahrzeug von der Beklagten in ihrer F.. Niederlassung erneut in Zahlung genommen. Für diesen Vorgang war - wie bei der früheren Inzahlungnahme - erneut der Zeuge P. zuständig. Den Verkauf an die Klägerin am 9.8.2005 wickelte für die Beklagte der Verkaufsberater S. ab. Zur Frage eventueller Vorschäden enthielt der formularmäßig vorbereitete Kaufvertrag folgende Formulierungen:

"Zahl, Art und Umfang von Unfallschäden lt. Vorbesitzer:

keine

Zahl, Art und Umfang von sonstigen Schäden, technischen Mängeln und Nachlackierungen lt. Vorbesitzer:

keine".

Das LG hat die Beklagte wie folgt verurteilt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.090,63 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.12.2006 Zug um Zug gegen Rückgewähr des Pkw Mercedes Benz Kombi Van 5-türig, Calypsorot, Typ: V-Klasse Fashion, Fahrzeugidentifikationsnummer: VSA 6 ... 5 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 73,78 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 36,89 EUR seit 1.6.2007 sowie aus weiteren 36,89 EUR seit 1.7.2007 zu bezahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 378,05 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 5.3.2007 zu bezahlen.

Das LG hat festgestellt, das an die Klägerin verkaufte Fahrzeug habe im Jahr 1999 einen Heckschaden erlitten, der damals ausweislich der vorgelegten Rechnung zum Preis von 8.905,50 DM repariert worden sei. Die Reparatur sei teilweise mangelhaft ausgeführt worden. Den Umstand, dass das Fahrzeug einen Unfall erlitten habe, hätte der Zeuge P. bei der zweimaligen Hereinnahme des Fahrzeugs unschwierig auf Grund deutlich wahrnehmbarer Farbdifferenzen im Lack erkennen können. Die Beklagte sei vor dem Verkauf an die Klägerin ihrer Verpflichtung, das Fahrzeug auf Unfallschäden zu untersuchen, nicht nachgekommen. Aus dem Umstand, dass die verantwortlichen Mitarbeiter der Beklagten die Klägerin hierüber nicht entsprechend aufgeklärt hätten, ergebe sich der Vorwurf der Arglist. Daher sei die Klägerin zur Anfechtung des Kaufvertrages berechtigt.

Gegen dieses Urteil ric...

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