Leitsatz (amtlich)

Die Berufung auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit eines noch anhängigen früheren Scheidungsantrags als Zeitpunkt für die Berechnung der Ehezeit gem. § 1587 Abs. 2 BGB verstößt gegen Treu und Glauben, wenn das Ehescheidungsverfahren in Vergessenheit geraten ist und die Eheleute weiterhin zusammengelebt haben

 

Normenkette

BGB §§ 242, 1587 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Schwetzingen (Aktenzeichen 2 F 135/98)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin (BfA) wird Ziff. 2 des Urteils des AG – FamG – Schwetzingen vom 22.5.2001 (2 F 135/98) wie folgt abgeändert:

Vom Versicherungskonto Nr. des Antragstellers bei der BfA werden auf das Versicherungskonto Nr. der Antragsgegnerin bei der LVA Baden-Württemberg Rentenanwartschaften von monatlich 1.250,15 DM, bezogen auf den 31.10.1998, übertragen.

Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

2. Die Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Parteien haben 1960 die Ehe geschlossen, aus der vier Kinder hervorgegangen sind.

Sie sind hälftige Miteigentümer eines Mehrfamilien-Hauses, in dessen Erdgeschoss sich die Ehewohnung befand. Zwei weitere 3-Zimmer-Wohnungen in diesem Anwesen standen spätestens ab Ende 1993 leer.

Der Ehemann ist von Beruf Maurerpolier. Er bezieht seit dem 1.12.1998 eine Altersrente bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte. Die Ehefrau war während der Ehe nicht berufstätig und hat keine Rentenanwartschaften erworben.

Mit Beschluss vom 18.5.1999 wurde für sie Betreuung mit den Aufgabenkreisen Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge und Vertretung im Scheidungsverfahren angeordnet, da ein chronischer, über 18 Jahren währender Alkoholmissbrauch und ein beginnendes Psychosyndrom bestehe.

Der Ehemann hatte mit Schriftsatz vom 6.9.1993 Scheidungsantrag eingereicht, der am 10.9.1993 zugestellt wurde.

Zur Begründung gab er an, dass die Parteien seit über 3 Jahren in der Ehewohnung getrennt leben würden. Ein gemeinsames Wirtschaften hätte nicht mehr stattgefunden, auch würden die Parteien nicht mehr miteinander reden.

Mit Schriftsatz vom 20.10.1993 beantragte der Ehemann das Ruhen des Verfahrens, da die Ehefrau zugesagt habe, eine Entziehungskur zu machen.

Mit Beschluss vom 8.11.1993 ordnete das FamG das Ruhen an. Nach Ablauf von sechs Monaten wurden die Akten am 19.5.1994 weggelegt.

Mit Schriftsatz vom 19.11.1998, zugestellt am 27.11.1998, reichte die Ehefrau einen Scheidungsantrag ein. Sie trägt vor, der Ehemann habe seit Anfang 1996 eine außereheliche Beziehung, halte sich seit 1997 wochenlang bei seiner Freundin auf und sei ab Anfang 1998 nur noch selten in der Ehewohnung anzutreffen gewesen. Als Konsequenz hierauf sei sie am 17.7.1998 zu einem Bekannten gezogen.

Mit Beschl. v. 20.11.1998 teilte das FamG beiden Parteien mit, das ein (ruhendes) Scheidungsverfahren aus dem Jahre 1993 anhängig sei, das wiederaufgenommen und unter neuem Aktenzeichen fortgeführt werde.

Zur Frage der Versöhnung und des Zusammenlebens nach 1993 hat das Gericht die Parteien angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der drei Töchter.

Mit Urteil vom 22.5.2001 wurde die Ehe der Parteien geschieden. Der Versorgungsausgleich wurde in Ziff. 2 dahingehend durchgeführt, dass vom Versicherungskonto des Ehemanns Anwartschaften i.H.v. monatlich 1.245,03 DM übertragen wurden.

In seiner Entscheidung legte das AG eine Ehezeit vom 1.6.1960 bis 31.10.1998 zugrunde. Für das Ehezeitende sei die Zustellung des Scheidungsantrags der Ehefrau vom 19.11.1998 und nicht der frühere Scheidungsantrag des Ehemanns maßgeblich.

Es sei mit Treu und Glauben nicht vereinbar, die Ehefrau von den zwischen 1993 und 1998 erworbenen Versorgungsanwartschaften auszuschließen.

Die Parteien hätten nach 1993 bis in das Jahr 1998 in der ehegemeinschaftlichen Wohnung zusammengelebt, was sich aus den Angaben der Parteien und der Zeuginnen ergebe. Die Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft sei von den Parteien auch nicht als Versuch gewertet oder als nicht dauerhaft eingeordnet worden.

Der Ehezeitanteil der Altersrente des Ehemanns wurde i.H.v. 2.490,07 DM eingestellt.

Gegen das ihm am 29.5.2001 zugestellte Urteil hat der Ehemann mit dem am 22.6.2001 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt, mit der er den Versorgungsausgleich angreift.

Er ist der Auffassung, dass als Ende der Ehezeit der 31.8.1993 anzusetzen sei.

1993 habe es keine Aussöhnung der Parteien gegeben, die eheliche Lebensgemeinschaft sei auch nicht wieder aufgenommen worden. Die Ehefrau sei auch der von ihm gestellten Bedingung, eine Alkoholentziehungskur zu unternehmen, nicht nachgekommen.

Ein Zusammenleben mit der zum Alkoholmissbrauch neigenden Ehefrau habe es weit über 10 Jahre vor Stellung des ursprünglichen Scheidungsantrags wie auch danach nicht mehr gegeben. Ihm sei es nur noch um eine Beaufsichtigung der Ehefrau gegangen, da er aufgrund ihres gesundheitlichen Zustands ständige Angst vor Schäden am gemeinsamen Eigentum gehabt habe. Auch aufgru...

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