Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Entscheidung vom 19.11.2003; Aktenzeichen 7 KLs 10 Js 26857/02 Hw)

 

Tenor

  • 1.

    Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe aufgehoben, soweit dem Antragsteller eine Entschädigung für erlittenen Untersuchungshaft ab dem 14. März 2003 versagt wurde.

  • 2.

    Dem Antragsteller wird für die im vorliegenden Verfahren erlittene Untersuchungshaft vom 14. März 2003 bis zum 19. November 2003 eine Entschädigung aus der Staatskasse gewährt.

  • 3.

    Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

  • 4.

    Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen. Jedoch wird die Gebühr um 3/5 ermäßigt. Die notwendigen Auslagen des Antragstellers werden 3/5 der Staatskasse auferlegt.

 

Gründe

I.

Am Tattag, dem 22.09.2001, gerieten der Beschwerdeführer und der Mitangeklagte M. mit den Geschädigten C. und E. in Streit. Im Laufe der tätlichen Auseinandersetzung wurden die Geschädigten C. und E. jeweils durch mehrere Messerstiche lebensgefährlich verletzt. Danach flüchtete der Beschwerdeführer vom Tatort und entzog sich dem Verfahren. Er hielt sich anschließend an unbekannten Orten im In-und Ausland auf.

Es bestand der dringende Tatverdacht, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit dem Mitangeklagten M. (M. S.) nach vorangegangenem Streit auf die beiden Geschädigten eingestochen hatte. Das Amtsgericht Karlsruhe erließ am 17.04.2002 gegen den Beschwerdeführer einen internationalen Haftbefehl wegen versuchten Totschlags. Der Beschwerdeführer wurde am 30.09.2002 in Genf/Schweiz festgenommen und befand sich bis zum 25.02.2003 in Auslieferungshaft und seit dem 26.02.2002 bis zum 19.11.2003 in Deutschland in Untersuchungshaft.

Aus der Auslieferungshaft heraus versuchte der Beschwerdeführer, sich ein falsches Alibi zu verschaffen, indem er eine falsche eidesstattliche Erklärung seines Vaters und einer weiteren Person aus dem Kosovo beschaffte. Diese Erklärung vom 08.11.2002 hatte zum Inhalt, dass der Beschwerdeführer sich zum Tatzeitpunkt im Kosovo aufgehalten habe.

Nach seiner Auslieferung räumte der Beschwerdeführer am 13.03.2003 gegenüber den Ermittlungsbeamten seine Anwesenheit und seine Verwicklung in das Tatgeschehen ein, bestritt aber mit dem Messerstichen etwas zu tun gehabt zu haben (Vermerk v. 13.03.2003, Originalakte betr. G., Bd. 4, Bl. 2825). Entsprechendes bekundete er im Rahmen seiner Vernehmung vom 27.03.2003.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 14.03.2003 wurde der Haftbefehl vom 17.04.2002 aufrecht erhalten und in Vollzug belassen.

In der Anklage der Staatsanwaltschaft Karlsruhe vom 04.06.2003 wurde dem Beschwerdeführer ein Verbrechen des versuchten Mordes zur Last gelegt. Mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 19.11.2003 wurde er vom Vorwurf des versuchten Mordes freigesprochen. Der Mitangeklagte M. wurde wegen versuchten Totschlags z.N. des Geschädigten C. und weiterer Straftaten zu der Freiheitsstrafe von 9 Jahren verurteilt. Es konnte letztlich nicht geklärt werden, ob der Mitangeklagte M. oder der Beschwerdeführer auf den Geschädigten E. eingestochen und diesen lebensgefährlich verletzt hatte. Dem Beschwerdeführer wurde keine Entschädigung für die in der Schweiz erlittene Auslieferungshaft und die in diesem Verfahren erlittene Untersuchungshaft gewährt.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beschwerdeführer mit der sofortigen Beschwerde.

II.

Das zulässige Rechtsmittel führt zu dem aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.

Eine Entschädigung des Beschwerdeführers ist ausgeschlossen, wenn und soweit er die Auslieferungshaft bzw. die Anordnung der Untersuchungshaft vorsätzlich oder schuldhaft verursacht hat (§ 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG). Dabei ist nicht auf die Erkenntnismöglichkeiten zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung, sondern auf die Beweislage, die sich den Ermittlungsbehörden zum Zeitpunkt der Anordnung der Strafverfolgungsmaßnahme bot, abzustellen (Meyer-Großner, 47. Auflage, § 5 StrEG Rdnr. 10; KG Berlin Beschluss vom 09. März 1999 -Az.: 1 AR 66/99 -4 Ws 24/99 -). Spätere Erkenntnisse der Strafverfolgungsbehörden sind allerdings dahingehend zu berücksichtigen, ob sie unter Umständen Anlass gaben, die Maßnahmen zu beenden (Meyer-Großner, 47. Auflage § 5 StrEG Rdnr. 7).

Bei Anordnung von Auslieferungshaft oder Untersuchungshaft kann ein Entschädigungsanspruch entfallen, wenn der Beschuldigte durch die Tat oder sein Prozessverhalten den Anlass der Strafverfolgungsmaßnahme herausgefordert hat (Meyer-Großner, 47. Auflage § 5 StrEG Rdnr. 11). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Vorschrift des § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG einen Ausnahmetatbestand enthält. Deshalb ist bei der Beurteilung, ob der Beschuldigte Anlass zu der Strafverfolgungsmaßnahme gegeben hat, ein strenger Maßstab anzulegen. Es genügt nicht, dass er sich irgendwie verdächtig gemacht hat, sondern er muss einen wesentlichen Ursachenbeitrag zur Begründung des dringenden Tatverdachts oder eines Haftgrundes geleistet haben (Meyer, Strafrechtsentschädig...

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