Leitsatz (amtlich)

1. Schließen die Parteien einen Prozessvergleich, der keine Kostenregelung enthält, ergibt sich die Kostenfolge aus § 98 ZPO (Kostenaufhebung). Eine gerichtliche Kostenentscheidung ist nicht erforderlich, kann aber zur Klarstellung ergehen.

2. Erklären die Parteien nach der Protokollierung eines Vergleichs ohne Kostenregelung den Rechtstreit in der Hauptsache für erledigt (mit gegenläufigen Kostenanträgen), kann dies an der Anwendung von § 98 ZPO nichts mehr ändern.

 

Verfahrensgang

LG Waldshut-Tiengen (Beschluss vom 30.09.2009; Aktenzeichen 2 O 182/09)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des LG Waldshut-Tiengen vom 30.9.2009 - 2 O 182/09 - in Ziff. 1 des Tenors wie folgt abgeändert:

Die Kosten des Verfahrens vor dem LG werden gegeneinander aufgehoben.

II. Die weitergehende sofortige Beschwerde des Klägers wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Kläger zu 3/5 und der Beklagte zu 2/5.

IV. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in ... Das Grundstück des Klägers ist mit einem Geh- und Fahrrecht zugunsten des benachbarten Grundstücks des Beklagten belastet. Im Verfahren vor dem LG haben sich die Parteien über Umfang und Grenzen dieses Geh- und Fahrrechts gestritten sowie über die sich aus dem Geh- und Fahrrecht ergebenden Nutzungsbeschränkungen des Klägers auf seinem eigenen Grundstück.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24.9.2009 haben die Parteien den Rechtstreit durch einen Vergleich beendet. Das Sitzungsprotokoll weist hierzu Folgendes aus:

Die Möglichkeit einer gütlichen Beilegung des Rechtsstreits wurde erörtert. Auf Vorschlag des Gerichts schlossen die Parteien zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits daraufhin den folgenden

Vergleich:

Die Parteien sind sich darüber einig, dass das im Grundbuch von ... Nr. 528 zu Lasten des im Eigentum des Klägers stehenden Grundstücks Lgb. Nr. 55 eingetragene Geh- und Fahrrecht zugunsten des jeweiligen Eigentümers der im Grundbuch von ... Nr. 950 eingetragenen Grundstücke Lgb. Nrn. 55/1 und 55/4 der Ausweisung von sechs Stellplätzen auf dem vor der Westseite des Hotelgebäudes des Klägers auf dem Grundstück Lgb. Nr. 55 befindlichen Vorplatz entsprechend dem als Anlage 3 zur Klageschrift vorgelegten, diesem Protokoll noch einmal angesiegelten Lageplan (dort Stellplätze 1 - 6) nicht entgegensteht.

Vorgespielt und genehmigt.

Beide Parteivertreter erklären daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und stellen gegenseitigen Kostenantrag.

Mit Beschluss vom 30.9.2009 hat das LG dem Kläger 5/6 und dem Beklagten 1/6 der Kosten auferlegt. Die Kostenentscheidung richte sich nach § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO. Es entspreche billigem Ermessen, den Kläger mit dem überwiegenden Teil der Kosten zu belasten; denn seine ursprünglichen Klageanträge hätten aus Rechtsgründen keinen Erfolg haben können, wenn es nicht zu einem Vergleich gekommen wäre. Auf Grund eines "nicht ganz eindeutigen vorprozessualen Verhaltens" treffe allerdings auch den Beklagten eine gewisse Mitverantwortung, dass es überhaupt zu einem Rechtstreit gekommen sei. Dies rechtfertige es, auch dem Beklagten einen kleineren Teil der Kosten aufzuerlegen.

Gegen diese Kostenentscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers. Er meint, entgegen der Auffassung des LG hätte seine Klage Erfolg gehabt, wenn es nicht zum Vergleich gekommen wäre. Mithin entspreche es billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens dem Beklagten vollständig aufzuerlegen.

Der Beklagte tritt der sofortigen Beschwerde entgegen. Er hält die rechtlichen Erwägungen im Beschluss des LG vom 30.9.2009 für zutreffend. Das LG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Nachdem das LG eine Kostenentscheidung auf der Grundlage von § 91a Abs. 1 ZPO getroffen hat, ist die sofortige Beschwerde gem. § 91a Abs. 2 ZPO zulässig. Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg; denn die Kostenentscheidung richtet sich nicht nach § 91a ZPO, sondern nach § 98 ZPO.

1. Wird ein Rechtstreit durch Vergleich beendet, richtet sich die Kostenverteilung nach § 98 ZPO. Nach dieser Vorschrift werden die Kosten eines Vergleichs und die Kosten des Rechtstreits gegeneinander aufgehoben, sofern nicht von den Parteien etwas anderes vereinbart ist. Da sich die Kostenfolge bereits aus dem Gesetz ergibt, ist eine gerichtliche Kostenentscheidung nicht unbedingt erforderlich. Sie kann aber zur Klarstellung ergehen und hat dann deklaratorischen Charakter (vgl. z.B. OLG Frankfurt OLGReport Frankfurt 2007, 962).

Die Voraussetzungen für eine Anwendung von § 98 ZPO liegen vor. Der Rechtstreit ist durch den Vergleich vom 24.9.2009 beendet worden. Aus der Formulierung im Protokoll "... zur gütlichen Beilegung des Rechtstreits ..." ergibt sich, dass es sich nicht um einen Teil-Vergleich handelte, sondern dass mit diesem Vergleich der gesamte Streitgegenstand des Verfahrens erledigt wurde. Dies führt unmittelbar zur Anwendung d...

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