Leitsatz (amtlich)

Die Verschmelzung zweier Kapitalgesellschaften in der Weise, dass das Kapital der aufnehmenden Gesellschaft durch Einbringung des gesamten Vermögens der übertragenden Gesellschaft erhöht wird, unterfällt der Richtlinie des Rates der EURpäischen Gemeinschaften vom 17.7.1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (Gesellschaftssteuerrichtlinie). Daran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass sich die Geschäftsanteile der verschmolzenen Gesellschaften in einer Hand befanden (Fortführung von OLG Karlsruhe v. 9.5.2003 - 11 Wx 120/00, OLGReport Karlsruhe 2003, 365 = GmbHR 2003, 1277; v. 5.12.2002 - 14 Wx 130/01, OLGReport Karlsruhe 2003, 80; v. 24.9.2002 - 14 Wx 133/00, GmbHR 2002, 1248 = OLGReport Karlsruhe 2002, 437).

 

Normenkette

EWGRL 335/69 Art. 4; EWGRL 335 Art. 12 Abs. 1 lit. e, Art. 10; KostO § 36 Abs. 2, § 47; UmwG § 2 Nrn. 1, 6, 13 Abs. 3 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Heidelberg (Beschluss vom 06.10.2003; Aktenzeichen 117/036 T 62/03-I)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des LG Heidelberg vom 6.10.2003 - 6 T 62/03-I - wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Mit Urkunde des Notariats Heidelberg vom 15.12.1997 schlossen die E. GmbH und die A. GmbH (Beteiligte zu 1) einen Verschmelzungsvertrag, wonach erstere im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme ihr Vermögen als Ganzes auf die Beteiligte zu 1) überträgt. Als Gegenleistung erhält die alleinige Gesellschafterin der übertragenden Gesellschaft, die auch sämtliche Geschäftsanteile der übernehmenden Gesellschaft hält, einen im Zuge einer Kapitalerhöhung neu geschaffenen Geschäftsanteil der übernehmenden Gesellschaft. Außerdem enthält die notarielle Urkunde die Verschmelzungsbeschlüsse der Gesellschafterversammlungen der übertragenden sowie der übernehmenden Gesellschaft. Die Kosten des Verschmelzungsvertrages und seiner Durchführung trägt nach I 12. der Urkunde die Beteiligte zu 1).

Der Kostenbeamte stellte der Beteiligten zu 1) für die Beurkundung des Verschmelzungsvertrages Gebühren i.H.v. 30.220 DM und für diejenige der Verschmelzungsbeschlüsse solche i.H.v. 10.000 DM in Rechnung. Einschließlich Auslagen und Mehrwertsteuer endet der Kostenansatz mit einem Betrag von 46.346,15 DM. Mit ihrer Erinnerung macht die Kostenschuldnerin geltend, die Höhe der Gebühren verstoße gegen die Richtlinie 69/335/EWG des Rates der EURpäischen Gemeinschaften vom 17.7.1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (Gesellschaftssteuerrichtlinie). Das AG hat die Erinnerung zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Kostenschuldnerin hat das LG den Beschluss des AG aufgehoben und die Sache zur erneuten Kostenfestsetzung unter Beachtung der Grundsätze der Gesellschaftssteuerrichtlinie an den Kostenbeamten des Notariats zurückgegeben. Hiergegen richtet sich die - vom LG zugelassene - weitere Beschwerde der Staatskasse, mit der sie die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung begehrt.

II. Die weitere Beschwerde ist in Folge ihrer Zulassung durch das LG (§ 14 Abs. 3 S. 2 KostO a.F.) statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg. Die für die Beurkundung des Verschmelzungsvertrages (§ 36 Abs. 2 KostO) und der Zustimmungsbeschlüsse (§ 47 KostO) in Ansatz gebrachten Gebühren verstoßen gegen die Gesellschaftssteuerrichtlinie.

1. Nach Art. 10 der Richtlinie 69/335 des Rates vom 17.7.1969 i.d.F. der Richtlinie 85/303 des Rates vom 10.6.1985 erheben die Mitgliedstaaten von Kapitalgesellschaften für die in Art. 4 der Richtlinie genannten Vorgänge, einschließlich Einlagen, Darlehen und Leistungen für diese, sowie für die der Ausübung einer Tätigkeit vorangehende Eintragung oder sonstige Formalität, der eine Gesellschaft aufgrund ihrer Rechtsform unterworfen werden kann, abgesehen von der Gesellschaftssteuer keine anderen Steuern oder Abgaben. Art. 12 Abs. 1 lit. e der Richtlinie gestattet jedoch die Erhebung von Abgaben mit Gebührencharakter. Mit Beschl. v. 21.3.2002 hat der Gerichtshof der EURpäischen Gemeinschaften (EuGH) entschieden, dass die Gebühren für die notarielle Beurkundung eines unter die Gesellschaftssteuerrichtlinie fallenden Vorgangs durch einen beamteten Notar im Bezirk des OLG Karlsruhe als "Steuer" im Sinne der Richtlinie anzusehen sind (EuGH v. 21.3.2002 - Rs. C-264/00 - "Gründerzentrum", GmbHR 2002, 486 = ZIP 2002, 663).

2. Bei der Beteiligten zu 1) handelt es sich um eine Kapitalgesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 lit. a der Richtlinie. Die Beurkundung des Verschmelzungsvertrages sowie der Zustimmungsbeschlüsse ist auf einen von Art. 4 Abs. 1 lit. c erfassten Vorgang bezogen. Nach dieser Vorschrift unterliegt die Erhöhung des Kapitals einer Kapitalgesellschaft durch Einlagen jeder Art der Gesellschaftssteuer. Hierunter fällt eine Kapitalansammlung, die in der Erhöhung des Kapitals der übernehmenden Gesellschaft durch Einbringung des gesamten Vermögens der übertragenden Gesellschaft besteht. Damit unterfällt die beurkundete Verschmelzung im Wege der A...

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