Entscheidungsstichwort (Thema)

Mutwilligkeit der Einleitung eines Sorgerechtsverfahrens

 

Normenkette

FamFG §§ 76, 78 Abs. 2; ZPO § 114

 

Verfahrensgang

AG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 22.04.2015; Aktenzeichen 42 F 825/15)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Freiburg vom 22.04.2015 aufgehoben und der Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe für den ersten Rechtszug unter Beiordnung von Rechtsanwalt..., bewilligt.

Die Antragstellerin hat auf die voraussichtlichen Verfahrenskosten ab Aufforderung monatliche Raten in Höhe von 102 EUR an die Landesoberkasse zu zahlen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin begehrt Verfahrenskostenhilfe für ein Sorgerechtsverfahren.

Mit Schriftsatz vom 20.03.2015 beantragte die Antragstellerin - abhängig von der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe - die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für die gemeinsame Tochter..., geboren am... Der Vater zeige keinerlei Kooperationsbereitschaft und sei zu keinen Gesprächen zu bewegen.

Der Antragsgegner ließ daraufhin mit Schriftsatz vom 08.04.2015 durch seinen Verfahrensbevollmächtigten mitteilen, dass er sich in... aufhalte, jedoch am kommenden Samstag mit einem Bus nach Deutschland zurückkehren werde. Er habe sich nie dagegen gesträubt, notwendige Unterschriften zu leisten.

Mit Schriftsatz vom 21.04.2015 teilte die Antragstellerin mit, der Antragsgegner habe sich seit 15.03.2015 nicht bei ihr gemeldet und keinen Umgang wahrgenommen. Wo er sich aufhalte wisse sie nicht.

Das Familiengericht Freiburg hat die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe mit Beschluss vom 22.04.2015 abgelehnt. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung sei mutwillig, da eine verständige, nicht hilfsbedürftige Person in der Situation der Antragstellerin zunächst das Gespräch mit dem Kindesvater suchen, sich erforderlichenfalls an das Jugendamt wenden oder - wie am 16.01.2015 in einem Umgangsverfahren gerichtlich vereinbart - eine Klärung durch Beratungsgespräche suchen würde. Auf die Entscheidung des Familiengerichts wird verwiesen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 24.04.2014, zu deren Ergänzung sie ausführt, sie habe keine Möglichkeit gesehen, mit dem Antragsgegner in Kontakt zu treten, da dieser die gemeinsame Tochter seit 15.03.2015 nicht mehr abgeholt habe. Aufgrund des Auslandsaufenthalts des Vaters sei auch ein Beratungsgespräch nicht möglich gewesen.

Der Antragsgegnervertreter teilte mit Schriftsatz vom 06.05.2015 mit, dass ihm eine Weiterführung des Mandats nicht möglich sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II. Die gemäß § 76 Abs. 2 FamFG in Verbindung mit §§ 127 Abs. 2, 567, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Sie führt zur Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Antragstellerin unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten.

1. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Antragstellerin ist nicht mutwillig im Sinne von § 76 Abs. 1 FamFG in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO. Mutwillig ist ein Antrag, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde (Zöller/Geimer, ZPO, 30. Auflage 2014, § 114 Rn. 30 m.w.N.).

Dabei kann vorliegend die Frage offen bleiben, ob ein Verfahrenskostenhilfeantrag in Sorgerechts- und Umgangsverfahren grundsätzlich bereits dann als mutwillig anzusehen ist, wenn ein Elternteil vor der Inanspruchnahme des Gerichts die Möglichkeit der Beratung und Vermittlung durch das Jugendamt nicht in Anspruch nimmt (OLG Rostock MDR 2011, 790; OLG Saarbrücken FamRZ 2010, 310; OLG Stuttgart FamRZ 2009, 354; OLGR Koblenz 2005, 113; MünchKomm/Viefhues, FamFG, 3. Auflage 2013, § 76 Rn. 54; Johannsen/Henrich, Familienrecht, 6. Auflage 2015, § 114 ZPO Rn. 28; a.A. OLG Hamm NJW-RR 2011, 1577; OLG München FamRZ 2008, 1089; Keidel/Zimmermann, FamFG, 18. Auflage 2014; § 76 Rz. 19 a.E.). Denn eine Beratung durch das Jugendamt oder eine andere Beratungsstelle kann nur dann sinnvoll genutzt werden, wenn beide Eltern hierzu bereit und tatsächlich in der Lage sind. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Die Antragstellerin hat insoweit vorgetragen, der Antragsgegner sei zu keinerlei Gesprächen zu bewegen. Im März 2015 von der Antragstellerin unternommene Versuche, vom Antragsgegner eine schriftliche Zustimmung zur Ausstellung eines Kinderpasses für eine geplante Urlaubsreise mit der Tochter... zu erhalten sowie das für die Schuluntersuchung vom Kindergarten benötigte schriftliche Einverständnis des Antragsgegners zu erlangen, blieben nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragstellerin erfolglos. Entgegen der Ankündigung im Schriftsatz vom 08.04.2015 wurden die für den angegebenen Zeitpunkt der Rückkehr aus... in Aussicht gestellten Erklärungen bislang nicht abgegeben. Dem Schreiben der Antragstellerin vom 08.05.2015 zufolge hat sich der Antragsgegner bei ihr seit 15.03.2015 nach wie vor nicht gemeldet und insbesondere den in der gerichtlichen Vereinbarung vom 16.01....

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